TTIP, Transatlantisches Freihandelsabkommen. Selten wurde ein Abkommen heftiger diskutiert als TTIP, welches Europäische Union und die Vereinigten Staaten aushandeln. Es blühen Verschwörungstheorien, es wird spekuliert, das angeblich gesundheitsschädliche Chlor-Hühnchen hat es zu Berühmtheit gebracht. Dabei geht es um die Frage, wie EU und USA ihre Handelsbeziehungen aufblühen lassen. Der Grundgedanke ist, die Wirtschaft zu fördern und Arbeitsplätze zu schaffen. Das hört sich erst einmal gut an, aber Kritiker bemängeln die fehlende Transparenz bei den Verhandlungen und sehen Lobbyisten am Werk. Um diese Fragen aufzugreifen, trafen sich Christian Eichardt (Mitglied der „Initiative junger Transatlantiker“) und Mike Nagler (Mitglied bei „attac“) zu einer Pro/Contra-Diskussion in Aue.
Ich ging mit hohen Erwartungen in die Veranstaltung. Dem Wirrwarr an Informationen im Internet ausgesetzt und den Medien ausgeliefert, hoffte ich, mich endlich positionieren zu können. Meine Erwartungen wurden nicht enttäuscht. Viele interessante Fakten, starke Argumente. Die Diskussion blieb ruhig und sachlich. Die Frage nach dem Freihandelsabkommen entwickelte sich im Laufe der Diskussion und durch die Beiträge der Teilnehmer auch in die Richtung, was Kapitalismus ausmacht. Entwickelt sich dieser unendlich weiter? Gibt es einen Sättigungspunkt? Welche Rolle spielt der einzelne Bürger im Geflecht von Gewinn und Innovation?
Keine Absenkung von Standards
Christian Eichardt stellte Wirtschaftswachstum und steigende Beschäftigungszahlen an den Anfang seiner Erläuterungen. So hätte, laut Statistik, ein europäischer Durchschnittshaushalt 545€ mehr im Monat zur Verfügung. Doch was sich in Zahlen ausgedrückt lohnenswert anhört, ist nicht 1:1 auf die Wirklichkeit übertragbar, fügt er selbst hinzu.
Zudem werden auch keine bestehenden Standards ersetzt oder außer Kraft gesetzt, sondern es wird geschaut, wo Vorteile für jeweils EU und USA entstehen können. Die Annahme, die USA hätte pauschal niedrigere Wirtschaftsstandards als die EU, ist falsch. So sind beispielsweise die amerikanischen Grenzwerte für die Schwermetallkonzentration in Spielwaren bedeutend schärfer als die europäischen.
Sorge vor Klagen und „Schiedsgerichten“
Dem gegenüber thematisiert Mike Nagler bereits bestehende Wirtschaftsabkommen und ihre negativen Folgen. Zudem vertrat Nagler die Auffassung, dass nur große Konzerne von diesem Abkommen profitieren würden. Auch würde die „schlechte“ Finanzmarktregulierung der Amerikaner dazu führen, dass vor allem deutsche Unternehmen sich diesem niedrigen Standard anpassen würden. Beispielhaft wäre das TTIP-Vorläuferprogramm MIP. Dieses hätte den gleichen Inhalt wie TTIP, wurde jedoch 1997/1998 von den Franzosen abgelehnt.
Ein weiteres Beispiel liefert Nagler beim Thema „Fracking“. So könne, wenn die EU diese Form der Erdgasförderung nicht erlaube, eine Klage durch „benachteiligte“ Firmen auf Verlustausgleich eingereicht werden. Im Mittelpunkt stehen hierbei sogenannte „Schiedsgerichte“, in denen Kläger und Angeklagter nicht direkt vor Gericht stehen, sondern eine Klärung des Konflikts in Vertragsform stattfindet. Es existiert also kein öffentliches Gericht.
Kontrolle ist wichtig
Im letzten Teil der Veranstaltung waren es dann die Teilnehmer, die Fragen an die beiden Redner stellen konnten. So kamen Punkte, wie Nachhaltigkeit, Kapitalismuskritik, die Schere zwischen Arm und Reich und die angesprochenen „Schiedsgerichte“ immer wieder zur Sprache. Beim Kritikpunkt mangelnder Transparenz der Verhandlungen zu dem Abkommen waren sich jedoch beide einig: Bürgerinitiativen und Volksentscheide müssen stärker genutzt und beachtet werden. Am Ende des Abends würde ich mich Christian Eichardt anschließen, wenn er sagt: „Ich würde vor ihren Augen ein Chlorhühnchen essen.“