Ihre Muttersprache ist Italienisch oder Ukrainisch, Arabisch, Tigrinya oder Französisch, Russisch oder Georgisch: In der Reihe „Sprachen machen Leute“ kommen pro Jahr drei Schriftstellerinnen und Schriftsteller nach Dresden, die sich bewusst dafür entschieden haben, ihre literarischen Texte auf Deutsch zu schreiben. Im Erich Kästner Haus für Literatur lesen sie aus ihren neusten Romanen, Gedichtbänden oder Essays.

„Sprachen machen Leute“ ist eine Kooperation der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung (SLpB) mit dem Erich Kästner Haus für Literatur e.V. und wird unterstützt von der Landeshauptstadt Dresden sowie der Buchhandlung Thalia Dresden - Haus des Buches.

Die Mehrsprachigkeit wird in einer pluralen Gesellschaft zunehmen: Die meisten der nach Dresden eingeladenen Autoren und Autorinnen sind als Kinder oder Jugendliche mit ihren Familien nach Deutschland, Österreich oder in die Schweiz eingewandert. Und haben neben den Sprachen ihrer Familien oder ihrer Herkunftsländer auch unterschiedlichste kulturelle Prägungen mitgebracht. Oft sind sie Kennerinnen und Kenner sowohl der deutschsprachigen literarischen Tradition als auch der Literaturen anderer Sprachräume.

Literatur und Dichtung tragen zum Dialog und vielstimmigen Austausch innerhalb einer Gesellschaft bei. Sprache spielt bei der Beteiligung am öffentlichen Diskurs eine wichtige Rolle. Wer sich äußert, gestaltet auch mit. Unsere Reihe zeigt daher zum einen das integrative Moment der deutschen Sprache, zum anderen vermittelt sie ein Bewusstsein für Vielfalt, Interkulturalität und für kulturellen Transfer.

„Sprachen machen Leute“ bietet den Raum für Fragen, die uns in den kommenden Jahren beschäftigen werden: Was ist das verbindende Element einer pluralen Gesellschaft? Wie gestalten wir in einer mehrsprachigen Gesellschaft das Zusammenleben? Teilnehmende sind herzlich zu den Lesungen und den daran anschließenden Diskussionen eingeladen.

Veranstaltungskalender

Lesung Tzveta Sofronieva

19.11.2024, 19:00–21:00 Uhr

Es ist nicht klar, was genau in dem Gebäude über uns vor sich geht. Auf welchen Stockwerken herrscht Krieg und auf welchen Frieden? In welchem Stockwerk wohnen jene amerikanischen Soldatinnen, die im Irak arabischen Gefangenen schwarze Kapuzen auf den Kopf setzten und sie nackt, wie Hunde durch die Gegend jagten? Welches Stockwerk beherbergt die orgastische Freude der arabischen Jugendlichen, deren Credo Hamas ist, die brutal vergewaltigten und töteten, und es ihren Müttern wie Trophäen in Onlinevideos zeigten? Was passiert heute über uns?

Tzveta Sofronieva ist Autorin von Gedichten, Essays, Erzählungen, Theaterstücken und Lyrikinstallationen. Sie ist auch Herausgeberin interkultureller Anthologien wie „Verbotene Worte“ (2005) und „11.9. Web Streaming Poetry“ (2010), Lyrikübersetzerin und Kuratorin von Lesereihen, darunter „Das Wissen der Dichtung“ (Haus der Poesie, 2015) und „mehrsprachig ringen“ (Lettrétage, 2019). Als Dozentin war sie u.a. am amerikanischen M.I.T. sowie in Projekten der Bosch Stiftung in der E.U. und des Goethe Instituts in Asien tätig. Tzveta Sofronieva ist in Sofia geboren. Sie lebt in Berlin.

Die Reihe „Sprachen machen Leute" gehört zur Kooperation mit dem Erich-Kästner-Haus für Literatur. Autorinnen und Autoren, deren Schreib-, nicht aber Muttersprache das Deutsche ist, nehmen jeweils als Co-Leiterinnen an der Schreibwerkstatt von Michael G. Fritz teil und lesen am Folgeabend aus ihren eigenen Texten. Die vielfältigen kulturellen Hintergründe der eingeladenen Autorinnen ermöglichen neue Perspektiven auf eigene Denkmuster und bestehende gesellschaftliche Narrative.

Moderation: Michael G. Fritz

Eine Anmeldung ist erwünscht: www.kaestnerhaus-literatur.de/veranstaltungen

Lesung Olga Grjasnowa - "Juli, August, September"

10.12.2024, 19:00–21:00 Uhr (verschoben vom 24.9.)

ous zweiter Ehemann ist eine Trophäe - das muss selbst ihre Mutter anerkennen. Sergej ist Pianist und er ist jüdisch, genau wie Lou. Trotzdem ist ihre Tochter Rosa noch nie in einer Synagoge gewesen - eine ganz normale jüdische Familie in Berlin. Aber sind sie noch eine Familie, und was ist das überhaupt? Um das herauszufinden, folgt Lou der Einladung zum 90. Geburtstag ihrer Tante. In einem abgehalfterten Ressort auf Gran Canaria trifft der ganze ex-sowjetische Clan aus Israel zusammen, verbunden nur durch wechselseitige Missgunst. Gegen die kleinen Bösartigkeiten und die vage Leere in sich trinkt Lou systematisch an und weiß plötzlich, dass die Antwort auf all ihre Fragen in der glühenden Hitze Tel Avivs zu finden ist.

Ein Roman, so aktuell, zynisch und unterhaltsam, wie nur Olga Grjasnowa ihn schreiben kann, über eine Frau, deren Identität sich aus lauter Splittern zusammensetzt, die scheinbar alle nicht zusammenpassen. Bis sie es auf unerwartete Weise doch tun.

Olga Grjasnowa wurde 1984 in Baku, Aserbaidschan geboren und wuchs im Kaukasus auf. Sie war für längere Auslandaufenthalte in Polen, Russland und Israel und ist Absolventin des Deutschen Literaturinstituts Leipzig. 2011 erhielt sie das Grenzgänger-Stipendium der Robert Bosch Stiftung. Für ihren vielbeachteten Debütroman Der Russe ist einer, der Birken liebt wurde sie 2012 mit dem Klaus-Michael Kühne-Preis und Anna Seghers-Preis ausgezeichnet. Bei Hanser erschien zuletzt ihr Roman Die juristische Unschärfe einer Ehe.

Moderation: Michael G. Fritz

Eine Anmeldung ist erwünscht: www.kaestnerhaus-literatur.de/veranstaltungen

Emilia Smechowski - „Wir Strebermigranten“

04.06.2024, 19:00–21:00 Uhr

Emilia Smechowski, 1983 in Wejherowo bei Danzig in Polen geboren, floh mit ihrer Familie 1988 nach Westberlin. Sie studierte Operngesang und Romanistik und arbeitet als Journalistin. Für ihre Reportagen wurde sie vielfach preisgekrönt, u. a. mit dem Deutschen Reporterpreis. 2017 erschien ihr Buch Wir Strebermigranten, 2019 folgte Rückkehr nach Polen. Nach einem Jahr in Danzig lebt sie nun wieder in Berlin und leitet als Co-Chefredakteurin das ZEITmagazin.

Lesung, Musik und Diskussion: Nino Haratischwili: "Das mangelnde Licht"

16.01.2024, 19:30 - 21:00 Uhr

Die bekannte Schriftstellerin Nino Haratischwili, geboren 1983 in Tiflis, Georgien, floh vor dem Bürgerkrieg 1995 nach Deutschland. 1997 kehrte sie zurück nach Georgien. Sie studierte Film und Theater an der Hochschule in Tiflis und in Hamburg Theaterregie. Bereits ihr erster Roman Juja (2010) gewann internationale Beachtung, ihr Familien Epos Das achte Leben (2014) wurde in 25 Sprachen übersetzt. Ihre Theaterstücke und Romane wurden mehrfach ausgezeichnet. In Dresden liest sie aus ihrem neusten Roman Das mangelnde Licht, der 2022 erschienenen ist. 

Lesung Francesco Micieli - „1,5 Grad Celsius"

20.06.2023, 19:00 - 21:00 Uhr

Francesco Micieli wurde 1956 in Santa Sofia d’Epiro (Italien) geboren. Er studierte Romanistik und Germanistik in Bern, Florenz und Cosenza und arbeitete als Regisseur, Schauspieler und Theaterleiter. Heute lebt er als freier Schriftsteller in Bern, arbeitet als Dozent an der Hochschule der Künste Bern und an der Schule für Gestaltung Bern/Biel. Sein literarisches Schaffen wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet und in verschiedene Sprachen übersetzt.

Lesung Olga Martynova - "Gespräch über die Trauer"

26.09.2023, 19:00 - 21:00 Uhr

Olga Martynova, 1962 bei Krasnojarsk in Sibirien geboren, wuchs in Leningrad auf, studierte russische Sprache und Literatur; 1991 zog sie nach Deutschland. Sie schreibt Gedichte (auf Russisch) und Essays und Prosa (auf Deutsch). Mit ihrer Lyrik war Olga Martynova auf der Longlist für den Russischen Preis 2009, mit ihrem Roman-Debüt „Sogar Papageien überleben uns“ kam sie auf die Longlist des Deutschen Buchpreises und auf die Shortlist des Aspekte-Preises. 2011 erhielt sie den Adelbert-von-Chamisso-Förderpreis und den Roswitha-von-Gandersheim-Preis. 2012 wurde sie mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis ausgezeichnet. "Gespräch über die Trauer" erschien am 26.7.2023 im S. Fischer Verlag.

Lesung Lena Gorelik – „Wer wir sind“

14.11.2023, 19:00 - 21:00 Uhr

Lena Gorelik, 1981 in St. Petersburg geboren, kam 1992 mit ihren Eltern nach Deutschland. Ihr Roman „Hochzeit in Jerusalem“ (2007) war für den Deutschen Buchpreis nominiert, der viel­gelobte Roman „Mehr Schwarz als Lila“ (2017) für den Deutschen Jugendbuchpreis. Regel­mäßig schreibt Lena Gorelik Beiträge zu gesellschaftlichen Themen, u.a. für die Süddeutsche Zeitung oder Die Zeit. Sie lebt in München. Ihr Buch "Wer wir sind“ erzählt, wie eine Frau zu sich findet – und wer wir im heutigen Deutschland sind. Ein autobiografischer Roman, der zeigt, dass die Identität gerade im Zwiespalt zwischen Stolz und Scham, Eigensinn und Anpassung, Fremdsein und allem Dazwischen stark wird.