Das galt und gilt noch immer in der Wirtschaft, besonders aber auch für Kirchen, Verbände, für Schulen, Kunst- und Kulturschaffende und auch für die politische Bildung. „Der Weg wird an Online-Formaten nicht vorbeigehen“, sagte Roland Löffler, Direktor der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung und Initiator der Reihe „Aus der Krise lernen? Offene Gesellschaft in der (Post-)Corona-Phase“. Nach 23 Debatten auf der Plattform Zoom zog er das Fazit „Wir müssen sehen, wen wir auf welchem Wege erreichen können - analog, virtuell oder auch hybrid. Wir müssen uns anstrengen auch weiterhin mit aktuellen Themen und in guter Qualität auf die Menschen zuzugehen.“
Zuvor hatten der Dresdner Politikwissenschaftler Prof. Dr. Werner Patzelt, Karin Pritzel, Geschäftsführerin des Herbert-Wehner-Bildungswerks und Ralf Krüger, Mitinhaber der Dresdner Agentur Füller & Krüger.Strategische Beratung über mögliche Lehren aus der Coronakrise diskutiert. Die letzten beiden Debattenabende am 16. und 17. Juli drehten sich einerseits um die Rolle der Medien während der Krise, andererseits um gesellschaftliche Veränderungen, die möglicherweise nun beschleunigt eintreten werden oder verhindert wurden.
Mehr Engagement lehren
Werner Patzelt berichtet von „einigen der glücklichsten Wochen“ für ihn persönlich. Er hat ein Buch geschrieben. Die Demokratie habe er nicht sonderlich herausgefordert gesehen, der Förderalismus habe sich bewährt, lediglich das Parlament hätte sich seiner Meinung nach stärker einbringen können. „Deutschland ist wochenlang von einem Gremium regiert worden, das es laut Verfassung gar nicht gibt“, sagte er und wunderte sich darüber, wie wenig kritisiert wurde, dass 16 Länderchefs und eine Bundeskanzlerin für ein paar Wochen das Ruder in der Hand hielten. Die Zeit der Exekutive.
Eine nachhaltige Verbesserung des gesellschaftlichen Zusammenhalts konnte trotz aller Beschwörungen keiner der Diskutierenden sehen. Für Karin Pritzel war „Corona wie ein Katalysator, der die Probleme, die zuvor schon existiert haben, zum Beispiel den Pflegenotstand, noch einmal deutlicher offen legte. Das gerät aber schon wieder aus dem Blick. Vielleicht braucht es ja eine zweite oder dritte Welle für nachhaltige Verhaltensänderungen.“ Sie verglich die Situation mit der Hochwasserkrise 2013. Kurzfristig seien die Menschen sehr füreinander da gewesen. Langfristig müsste sie aber fragen „Woran können wir den Zusammenhalt denn festmachen?“ Die Initiativen und Nachbarschaftshilfen, die sich gebildet haben, sollten dennoch nicht kleingeredet werden. Zivilgesellschaftliches Engagement müsse generell selbstverständlicher werden, um das zu erreichen bestenfalls Bestandteil des Lehrplans.
Alle drei waren sich einig, für langfristige Veränderungen und stärkeren Zusammenhalt braucht es mehr bürgerliches Engagement und Bürgerbeteiligung, festgeschrieben bereits im Koalitionsvertrag. „Der Wunsch nach Beteiligung ist da. Jetzt müssen wir nur noch danach handeln“, sagte Ralf Krüger. Die Rolle der Medien dürfe dabei nicht unterschätzt werden. „Ich setze auf guten Journalismus“, sagte Karin Pritzel. Gerade während der Coronakrise hätten vor allem die klassischen Medien einen guten Job gemacht.
Kritik an der Arbeit der Medien
„Wir hatten einen unglaublichen Ansturm auf unsere Angebote“, sagte Annette Binninger, stellvertretende Chefredakteurin der Sächsischen Zeitung am vorletzten Abend der Debattenreihe zur Frage „Wie sind die Medien mit der Krise umgegangen?“. Die Medienhäuser selbst waren und sind noch immer von den Einschränkungen betroffen, die die Maßnahmen zur Bekämpfung des Virus mit sich brachten. Gleichzeitig mussten sie berichten. „Wir mussten unser Programm aufrecht halten, weil es unsere Pflicht war, zu informieren und einen Halt zu geben“, sagte Uta Deckow, Leiterin der Politikredaktion des Mitteldeutschen Rundfunks. Die Ereignisse seien "in einer Geschwindigkeit über uns hinweg gerollt, wie ich sie noch nicht erlebt habe", sagte Annette Binninger.
Prof. Ursula Münch, Direktorin der Akademie für Politische Bildung Tutzing an der Universität der Bundeswehr München bestätigte, dass sich die Medien in Deutschland während der ersten Phase vor allem auf das Faktische und Praktische konzentriert hatten. Journalisten seien selbst keine Experten und konnten in dieser Phase lediglich die Prozesse abbilden, die zu Entscheidungen wie Lockdown oder Maskenpflicht führten.
Diskussionen über und Kritik an den Maßnahmen und Experten folgten erst mit den Lockerungen und ab diesem Punkt begann auch eine Kritik an der Arbeit der Medien. Die Wissenschaftlerin brach eine Lanze für die Berichterstattenden: „Im Bereich der Einschränkungen gab es recht bald sehr kritische Stellungnahmen“, sagte sie. „Die sind thematisiert worden, aber ich muss es dann auch zur Kenntnis nehmen.“ Abschließend blieben die Medienfrauen und die Forscherin verhalten optimistisch. Vor allem junge Menschen hätten den Wert solider journalistischer Arbeit wieder für sich entdeckt. "Die haben wir vorher schon gar nicht mehr erreicht", sagte Annette Binninger.
Ein Mitschnitt der Diskussion vom 17. Juli ist auf unserem YouTube Kanal verfügbar.