Der Samstag, 22. Oktober 2022, stand dabei ganz unter dem Zeichen eines Wortes, das in politischen Diskussionen unausweichlich geworden ist: Krisen. Unter dem Titel „Die Krisengeneration: Eine globale Perspektive auf aktuelle Herausforderungen“ versuchte am Vormittag ein rein männlich besetztes Podium Ideen zu formulieren und zu Gedanken anzuregen. Vor Ort waren dafür Fabian Funke als Mitglied des Bundestages und Antonio Argenziano von der JEF Europa. Per Video dazugeschaltet wurden Virgilio Falco von der International Young Democrat Union (IYDU) und Jacopo Barbati, Redakteur von „The Federalist“.
Junge Leute wollen Lösungen
Funke, Abgeordneter für den Wahlkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge für die SPD machte den Anfang. Mit 25 Jahren gehört er zu jüngsten Mitgliedern im aktuellen Bundestag. Im Panel zieht er den Begriff Polykrise heran, um zu verdeutlichen, wie verschiedene Krisen unser aktuelles Leben prägen. „In Europa haben wir auch eine Krise der Demokratie“, stellt er fest. An vielen Stellen wird bei dem Forum auf den Rückbau des Rechtsstaates in Polen und Ungarn verwiesen und wie die Regierungen dort ein geschlossenes Handeln der EU blockieren. Doch dass die Bedrohung für die Demokratie auch vor Deutschland und Italien nicht halt macht, das erkennen die Teilnehmenden ebenfalls an. Gerade wurde Giorgia Meloni zur neuen italienischen Ministerpräsidentin vereidigt, sie wird fortan eine, zumindest in Teilen, rechtsradikale Regierung anführen.
Virgilio Falco, der der konservativen IYDU angehört, forderte im Panel: „Junge Leute wollen Lösungen.“ Diese seien wichtiger als politische Ausrichtungen oder Parteienbindung. Er verweist dabei auf die Volatilität des italienischen Parteiensystems, in dem selbst etablierte Parteien massiven Schwankungen in den Wahlergebnissen unterliegen. Argenziano von der JEF Europa schließt an die Forderung von Lösungen an. Er betonte auch: „Krisen und dazugehörige Lösungen formen die Identität unserer Generation.“
Diese gemeinsamen Lösungen werden beim Forum vor allem in der Vertiefung europäischer Beziehungen gesucht. Journalist Barbati sagte: „Eine gemeinsame Politik und eine gemeinsame Strategie sind notwendig.“ Gleichzeitig betont er auch, wie wichtig eine Unabhängigkeit von außereuropäischen Kräften, wie China und Russland sei. Dies zeige sich aktuell in der Energiekrise in Europa, die durch eine jahrelange Abhängigkeit von russischem Gas herbeigeführt wurde.
Ein föderales Europa ist nötig und möglich
Nachdem die Panelteilnehmer ihre Ideen vorgestellt hatten, wurde in Kleingruppen weiter diskutiert. An drei Tischen tauschten sich die Teilnehmenden über ihr Krisenverständnis aus und versuchten gemeinsame Lösungen zu entwickeln. Im Zentrum standen dabei Ansätze im Kampf gegen die Klimakrise und das europäische Verhältnis zu Staaten wie Russland, den USA und China.
Was die Teilnehmenden eint, ist der Glaube daran, dass ein föderales Europa nötig und möglich ist. Engere politische Zusammenarbeit der EU-Mitgliedsstaaten sehen sie als Voraussetzung für Frieden und Sicherheit. Eine von ihnen ist Sophie Schönebeck. Die 25-jährige studiert aktuell „Internationale Beziehungen“ in Dresden und war vorher bereits im Landesverband der JEF in Sachsen-Anhalt aktiv. „Auf internationaler Bühne muss man seine Kräfte bündeln und da sehe ich die Lösung in der europäischen Integration.“, sagt sie.
Auch die Teilnehmenden aus Italien betonen die wichtige Rolle der EU. Maria Gabriella Taboga kommt, wie alle italienischen JEF Vertreter*innen, aus der Region Lazio, die sich um die Hauptstadt Rom erstreckt. „Wir sind die europäische Generation. Wir sind in die EU reingeboren und seitdem hat sie sich stark verändert“, sagt sie. Das Ziel der JEF sei dabei, so betont sie, dass Europa „inklusiver wird und geschlossener auftritt.“
Die 18-jährige Morena Casafredda ist erst seit letztem Jahr bei der JEF und freut sich über die Möglichkeit in andere Länder zu reisen und neue Menschen kennenzulernen. „Ich bin Föderalistin und ich denke, die Werte des Föderalismus sind die der Zukunft“, sagt sie.
Globale Krisen erfordern globale Antworten
Hendrik Förster studiert im Master „European Studies“ an der Universität Leipzig. Er war bereits viele Jahre im Landesverband der JEF in Nordrhein-Westfalen tätig und ist erst vor kurzem nach Sachsen gezogen. Das Ventotene Forum war für ihn die ideale Möglichkeit sich innerhalb der JEF neu zu vernetzen. Auch er glaubt, dass zukünftige Politik supranationale Organisationen wie die EU braucht. „Ich glaube, dass Nationalstaaten langfristig nicht der Weg sind, um ein politisches Miteinander in Zeiten von Atombomben zu etablieren“, meint Förster.
Die reflexhafte Forderung nach einer stärkeren Europäisierung sieht er aber gleichzeitig kritisch. „Wir reden über multiple Krisen und da wir hier ein pro-europäisches Forum haben, waren wir schnell bei der Lösung: Europäisierung. Aber der Widerspruch ist eigentlich offensichtlich. Natürlich kann Europäisierung nicht die Antwort auf globale Probleme sein.“
Besonders die Klimakrise ist eine Herausforderung, die keine nationalen Grenzen kennt, sagt auch Antonio Argenziano. Globale Krisen erfordern auch globale Antworten, so wird im Laufe des Forums klar.
Dabei betonen die Teilnehmenden regelmäßig, wie wichtig Forderungen ihrer, der jungen, Generation sind. „Wir sind in der numerischen Minderheit, aber wir müssen mit den Konsequenzen des gegenwärtigen Handelns leben“, sagt Sophie Schönebeck. Da junge Menschen selten in wichtigen politischen Positionen vertreten sind, betonen die Anwesenden die zentrale Rolle der Zivilgesellschaft.
Europäische Vision: inklusiv, gerecht und friedlich
Am Nachmittag wurde in einem zweiten Panel über die Reform der EU diskutiert. Die geladenen Gäste waren Matthias Ecke, Mitglied des Europäischen Parlaments; Virgilio Dastoli, der die Europäische Bewegung Italiens vertrat; Christopher Glück, ehemaliger Präsident der JEF Europa und Emely Marie Schäfer, Landesvorsitzende der JEF Sachsen. Gemeinsam diskutierten sie Forderungen nach einer europäischen Verfassung und eine Neuregelung des Europawahlsystems.
Das Forum ermöglichte den Austausch all derer, die der Wunsch nach starkem europäischem Zusammenhalt vereint. Gemeinsam arbeiteten sie an einer Vision für ein Europa, das inklusiv, gerecht und friedlich ist. Sie wollen sich aufkeimendem Nationalismus entgegenstellen, denn, wie Maria Taboga sagt, „Wir fühlen uns als europäische Staatsbürger*innen.“