Beziehung ohne Kontakt ist schwierig. Aber machbar. Bewusst widmete sich die zweite Vernetzungstagung der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung (SLpB) zu Beginn des zweiten Corona-Jahres dem Thema Beteiligung - und blieb entsprechend der auch im Januar 2021 geltenden Hygieneregeln auf Abstand.
Physisch hätte die Distanz zwischen den mehr als 100 Teilnehmenden am 14. Januar also nicht größer sein können. Aus Leipzig, Chemnitz und Dresden, Hohenstein-Ernsthal, Glauchau, Grimma, Waldenburg, Lampertswalde, München oder Berlin hatten sich an Schule Beteiligte, Vertreterinnen und Vertreter aus Elternschaft und Schülerrat und freier Träger angemeldet. Im Rahmen des Programms “Schule im Dialog Sachsen” (SiDS) hatte Initiatorin Heike Nothnagel die Tagung als digitales Barcamp - als digitale Nicht-Konferenz - organisiert. Ein Nicht-Raum also, indem nicht geladene Expertinnen und Experten den Ton angeben, an dem Nichts nicht angesprochen bleiben durfte. Ein Experiment für die SLpB.
Ziel der jährlichen Vernetzungstagung ist, die vielen engagierten schulischen und außerschulischen Akteure politischer Bildung und Demokratiebildung in Sachsen in einen Dialog zu bringen über konkrete Herausforderungen, Erfahrungen und Angebote. Im Kern geht es darum, die Zusammenarbeit schulischer und außerschulischer Partnerinnen und Partner zu stärken im Sinne einer wirksamen politischen Bildung und Demokratiebildung in der Schule.
Voneinander und miteinander lernen
In seiner Begrüßung betonte Roland Löffler, Direktor der Landeszentrale, den Status seines Hauses als “Impulsgeber und Ideenagentur im Dialog”. “Für einen guten Dialog braucht es Beteiligung”, betonte er. “Gerade jetzt mehr Beteiligung als bisher, um die politische, die demokratische Kultur zu festigen.” Voneinander und miteinander wolle man lernen bei der Vernetzungstagung und darüber hinaus.
Über die Kommunikationsplattform Zoom trafen sich die Teilnehmenden, trudelten ein, chatteten und plauderten. Moderator Tobias Heinemann dirigierte die Bildschirme. Gesichter vor Kameras, Menschen an Schreib- und Küchentischen, auf Sesseln, Hockern, Stühlen, verteilt übers Land. Allein schon durch die Technik stellte das Format eine Augenhöhe her: Unabhängig vom fachlichen Wissensstand bewegten sich hier Gleiche unter Gleichen, hatten alle mehr oder weniger Erfahrungen im Umgang mit Zoom. Inhaltlich bedingte das Barcamp: Alle sind Expertinnen und Experten ihres Themas. Wer reden wollte, erhielt den dafür notwendigen Raum. Die Vernetzungstagung konnte nur dann gelingen, wenn sich die Teilnehmenden aktiv einbringen mit ihrem Wissen, ihren Kenntnissen zu Methoden, ihren Fragen und Anregungen. “Ergänzung, Beratung und Inspiration” waren darum das Ziel der Veranstaltung und Kontakt in einer auf Distanz ausgerichteten Zeit.
In seinem Grußwort betonte der Staatsminister für Kultus, Christian Piwarz, den Stellenwert von Eigenverantwortung und Partizipation, um “mit den gesellschaftlichen Herausforderungen an den Schulen umzugehen”. “Unsere Demokratie und die Menschenrechte benötigen Lehrkräfte, die sich eindeutig für sie positionieren”, sagte Piwarz. “Grundrechte sind nicht subjektiv.” Katja Meier, Staatsministerin der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung, sieht die SLpB hier als “wichtiges Scharnier zwischen Schule und freier Trägerschaft”, denn “wenn engagierte Träger und Schulen zusammenkommen, ergeben sich enorme Potenziale”. Es reiche nicht, über Demokratie zu sprechen. “Demokratie muss gelebt werden”, betonte die Staatsministerin und sah insbesondere die Einbeziehung von Kindern und Jugendlichen als ausschlaggebende Instrument: “Junge Menschen sind ein wichtiges Sprachrohr unserer Gesellschaft.”
Geschützt und offen für Neues
Analog zu einer physischen Tagung trafen sich die Teilnehmenden also in der Lobby, lernten sich kennen, begrüßten bekannte Gesichter. In insgesamt 16 virtuellen Diskussionsräumen, diskutierten sie anschließend in Gruppen. Die Themen hatten sich im Vorfeld beziehungsweise zu Beginn der Tagung aus dem Publikum heraus ergeben. Sie bewegten sich unter anderen von der allgemeinen Frage “Wo kann durch außerschulische Partner unterstützt werden” über die Frage, wie viel religiöse Bildung politische Bildung nötig habe bis hin zu ganz konkreten Diskussionen über den richtigen Gebrauch von Sprache, den Umgang mit Antisemitismus und in welche Zukunft sich Bildung Hand in Hand mit Technik noch bewegen könnte.
Eine Vertreterin des Landesamtes für Schule und Bildung stellte das Projekt “Starke Lehrer Starke Schüler” des Sächsischen Ministeriums für Kultus vor. An anderer Stelle diskutierten vor allem die von Staatsministerin Meier benannten jungen Menschen, Mitglieder des Landesschülerrates, über ihre Möglichkeiten, sich einzubringen und an welcher Stelle sie noch Möglichkeiten für mehr Raum sehen. Es ging um die Grenzen des Beutelsbacher Konsens und wie sie sich nicht selten überschneiden mit den persönlichen Grenzen von Lehrerinnen und Lehrern. Es ging um Augenhöhe im Umgang zwischen Pädagoginnen und Pädagogen und den Kindern und Jugendlichen in deren Obhut. Es ging um Neugier auf Verschiedenheit.
Mit zwei Klicks ließ sich zwischen den Räumen wechseln. Und tatsächlich gelang es der Tagung, ein ganz eigenes Raumgefühl ohne physische Begrenzungen zu schaffen. Geschützt auf der einen Seite, offen für Neues auf der anderen. Durchaus ein Zugewinn und eine Erkenntnis Dank Corona. An anderer Stelle aber behindere die Pandemie gerade viele positive Entwicklungen, die sich in Sachen Beteiligung und Mitgestaltung ergeben hätten. “Wie kommen wir durch diese Dürrezeit”, fragten Teilnehmende am Panel “Wir packen es an!” und stellten fest, dass es mehr - auch virtuelle - Plattformen brauche für den Austausch der Schülerinnen und Schüler mit den Lehrkräften. Die Pandemie zeige, wo es hakt. Eine ideale Gelegenheit sei das, um Veränderungen anzustoßen. “Wir haben zumindest im Kleinen die Möglichkeit, Dinge zu gestalten”, so einer der Teilnehmenden. Im Raum “Schülermitwirkung durch aktive Begleitung stärken”, plädierten die Anwesenden für einen Perspektivwechsel: “Wir müssen die Schüler mehr ausprobieren lassen. Sie sollen Fehler machen und daraus lernen”, hieß es. Schülerinnen und Schülern sollten nicht nur solche Vorhaben zugestanden werden, deren Gelingen garantiert sei. “Wir müssen den Kindern ihre Projekte auch mal zumuten”, sagte eine der Teilnehmenden, “und dafür die Teilerfolge viel mehr feiern.”
Drei Stunden produktiven Austauschs waren unterteilt in Abschnitte, die sich auch im Feierabend nach Homeoffice, Homeschooling oder Notbetreuung noch gut begreifen ließen. Am digitalen Kamin bei Wunschmusik klang die Tagung aus. Gern wieder, hieß es von den Gästen. Virtuell oder ganz real, hauptsache in Kontakt bleiben.