In seinem 2020 erschienenen Buch schreibt Martin Specht nicht über den Amazonas, er schreibt im Amazonas. Seine bildhafte Sprache vermittelt das Gefühl, selbst durch den Dschungel zu streifen und dabei plötzlich von einer mariá palitos, einer Gespenstschrecke, überrascht zu werden. Die Leserin hört schon fast die Regentropfen auf den Baumkronen und spürt die drückende Hitze. Die Moskitostiche zu fühlen bleibt allen Lesenden zum Glück erspart. Martin Specht gibt einen umfassenden Überblick über das komplexe System Amazonas. Anstatt sich jedoch auf ein spezifisches Thema zu beziehen, erklärt er die Zusammenhänge vieler unterschiedlicher Themen. Dabei beschreibt er zunächst das Ökosystem Regenwald, anschließend wie sich indigene Gruppen dieses System zunutze machen und dann wie ihre Lebensweise von Missionaren, NGOs und politischen Prozessen einerseits aufrechterhalten, andererseits bedroht wird. Nach einem kurzen Exkurs über die ersten Entdecker des Regenwaldes befasst er sich mit den Interessen verschiedener Akteure im Amazonas.
Reibungslos gehen die Themen ineinander über. Zuweilen jedoch mutet das Buch selbst an wie ein Dschungel, den es zu durchforsten gilt: Specht diskutiert die Gefahren für indigene Völker, sei es durch Missionare oder die derzeitige Ausrichtung der brasilianischen Regierung, dann wieder verknüpft er die Ziele der Pariser Klimakonferenz mit Guerilla-Kriegen und der Arbeit von NGOs, bevor er wieder auf seine persönlichen Erfahrungen zurückkommt.
"Gefahr für die grüne Lunge der Welt" ist kein klassisches, ausschließlich auf die Vertiefung eines Aspektes ausgerichtetes Sachbuch. Der Autor fokussiert sich besonders auf die Lebensweise indigener Völker und wie die moderne Gesellschaft von diesen etwas für den Erhalt des Amazonas lernen kann. Spechts Buch erinnert an einen Essay über das Nebeneinander und Miteinander von Mensch und Natur am Beispiel des Amazonas. Und in diesem Sinne liefert es eine mitreißende Momentaufnahme.