Frau Schulze, „Dein Sachsen“ erklärt Kindern die sächsische Verfassung. Mehr als 16.000 Exemplare wurden seit August 2019 an Schulen in ganz Sachsen ausgeliefert. Inzwischen ist die dritte Auflage erschienen. „Dein Sachsen“ ist eine Erfolgsgeschichte für die Sächsische Landeszentrale für politische Bildung. Sie sind die Autorin – wie sind Sie zu diesem Projekt gekommen?
Ich habe vorher im Journalismus gearbeitet, unter anderem bei der Mitteldeutschen Zeitung und habe auch für Magazine geschrieben. Ich nehme mir gern ein bisschen mehr Zeit, um in meine Themen einzutauchen, zu konzipieren. Auf diese Weise entstand 2015 dann der Kinderstadtführer Leipzig, den auch schon André Martini illustriert hat und mit dem ich jetzt auch wieder zusammengearbeitet habe. Die Lektorin und Herausgeberin Kirsten Witte-Hofmann von der Edition Überland in Leipzig fragte mich 2018 im Namen der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung an, ob ich Interesse hätte, ein Kinderbuch über die sächsische Verfassung zu schreiben.
Nicht gerade ein leichtes Thema und dann auch noch für Kinder…
Meine Eltern haben meinen Bruder und mich schon früh an die Bibliothekenwelt herangeführt dafür bin ich immer noch dankbar, weil ich so viel daraus ziehen konnte. Und ich freue mich über jedes Kind, dessen Welt sich durch Bücher ebenfalls so eröffnet wie für mich damals. Kinder bringen so viel Neugier und so viele Fragen mit, unglaublich tolle Eigenschaften, die es mir sehr leicht machen, mein Bestes zu geben, damit sie die Welt um sich herum ein bisschen besser einordnen können. Dabei ist natürlich auch ein Pluspunkt, dass das Buch kostenlos ist und damit möglichst viele interessierte Kinder erreichen kann.
In meinen Augen funktioniert das Buch aber nicht nur für Kinder, sondern auch für Erwachsene, die sich für das Thema interessieren, aber Hemmungen haben, sich mit dem sehr komplexen Originaltext zu beschäftigen. Ich will Dinge einfach vermitteln. Auch Erwachsene finden nicht immer die Zeit, sich in alles einzuarbeiten, deswegen halte ich es für wichtig, Themen niedrigschwellig aufzuarbeiten.
Wie haben Sie das Buch vorbereitet?
Ich musste mich zugegebenermaßen auch erst mal einarbeiten: Natürlich die Verfassung lesen und dazu viel Sekundärliteratur. Diese Vorarbeit war noch gar nicht so kreativ, sondern ich musste mir erst einmal das Thema aneignen. Mehr als ein Jahr lang – von Ende Mai 2018 bis August 2019 – haben wir an dem Buch gearbeitet und etwa die Hälfte der Zeit habe ich fürs Recherchieren genutzt. Ich musste mich immer wieder daran erinnern, dass ich für Menschen arbeite, die vermutlich über noch gar kein Wissen über die Verfassung verfügen, vielleicht noch nicht einmal wissen, dass es eine gibt.
Wie ist der Inhalt letztendlich entstanden?
Die Verfassung selbst ist ein eher trockenes Thema, das zieht die wenigsten sofort rein. Ich wollte deswegen einen weichen Einstieg, um auch Berührungsängste abzubauen. Deswegen beginnen wir mit Wissen über Sachsen, was in der Verfassung übrigens auch am Anfang stattfindet: Wer lebt hier? Warum ist Sachsen so lebenswert? Welche Werte wollen wir verteidigen? Es gibt sehr viele Bereiche, die mit dem Alltag jedes Einzelnen zu tun haben, vor allem beim Thema Grundrechte wie der Meinungsfreiheit oder Wahlen. Alle fünf Jahre machen wir zum Beispiel unser Kreuz. Im Buch erklären wir allgemeinverständlich, wozu das dient und nach welchem Schlüssel sich die Sitze im Parlament verteilen. Mit der Landeszentrale gab es da einen sehr regen und konstruktiven Austausch.
Wenn Sie sagen, die Sachsen haben Werte zu verteidigen, können Sie das konkretisieren? Welche Werte, warum?
In Sachsen leben auch viele Menschen, die zugewandert sind und die das Leben hier bereichern. Es ist wichtig, dafür zu kämpfen, dass das auch so bleibt.
Oskar und Lucie heißen die beiden Kinder, die die Leserinnen und Leser durch das Buch führen. Wie sind die Figuren entstanden, wie haben Sie Ihren eigenen Zugang entwickelt zur Zielgruppe?
Wie Oskar und Lucie geht es wahrscheinlich vielen der Leserinnen und Leser. Beim Thema Verfassung tauchen etliche Fragezeichen auf, die sie im Buch Stück für Stück angehen. Ich denke das macht Oskar und Lucie zu guten Begleitern. Außerdem lockern sie mit verschiedenen Rätselspielen den Inhalt noch etwas auf.
Für viele Charaktere im Buch gibt es Vorbilder aus meinem privaten Umfeld, die etwas abgewandelt auftauchen.
Sie erklären Wahlen, Gewaltenteilung, das Parteienspektrum – wie sind Sie umgegangen mit dem Spagat zwischen aktuellen Zuständen und der allgemeinen Gültigkeit?
Wir haben sehr lange überlegt, welche Parteien und welche Zielsetzungen der Parteien wir übernehmen können und wollen. Letzten Endes haben wir uns auf eine allgemeinere Darstellung geeinigt. Was wir jetzt haben, ist eine Art Lehrbuch, Unterrichtsmaterial. Da ist es schwierig, mit echten Personen und Parteien zu arbeiten. Wir haben uns auf die theoretische Eben geeinigt. Nur die Zahl und Art der Minister und Ministerien haben wir nach der vergangenen Wahl angepasst, damit die Leserinnen und Leser einen realen Bezugspunkt haben.
Hatten Sie Vorbilder für „Dein Sachsen“?
In Baden-Württemberg gab es eine Ausgabe der Grundrechte für Kinder. Mehr ist mir nicht bekannt.
Wie sind die Reaktionen auf das Buch?
Feedback bekomme ich eher von Erwachsenen. Die meisten sind tatsächlich sehr froh über das Buch, weil sie sich darüber endlich auch mit einem Thema befassen, das sie wichtig finden, zu dem ihnen bisher aber der leichte Einstieg gefehlt hat. Manche sagten, sie hätten schon ein schlechtes Gewissen gehabt und fanden es dann gut, ein Buch für ihre Kinder in den Händen zu haben, das für sie auch geeignet ist und beim Verstehen hilft.
„Dein Sachsen“ könnte gut der Auftakt zu einer Reihe sein. Haben Sie Pläne für mehr?
Im Moment erst einmal nicht. Das Buch war schon ein großer Kraftakt. Ich war aber selbst sehr überrascht und vor allem erfreut, wie gut das läuft. Für die Zukunft könnte ich mir weitere Projekte sehr gut vorstellen.
Sandy Schulze, 36, lebt und arbeitet als freiberufliche Autorin und Journalistin in Leipzig
"Dein Sachsen. Das Land und seine Verfassung" kann in unserem Online Bestellsystem bestellt, vor Ort im Bücherzentrum abgeholt oder als PDF heruntergeladen werden.
