Offener Brief
Forderung nach Öffnungsperspektive für allgemeine Weiterbildung in Sachsen
01.02.2022
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
in dieser Woche wird die Staatsregierung die nächste Corona-Notverordnung beschließen, die ab dem 7. Februar in Kraft treten soll. Dazu ist bereits ein Stufenplan vom Sozialministerium veröffentlicht worden, der Lockerungen und weitere Verschärfungen von Corona-Maßnahmen vorsieht und noch in Diskussion steht. Eine Öffnungsperspektive der freien und staatlichen Träger der allgemeinen Weiterbildung sehen wir damit nicht verbunden. Zu sehr sehen wir durch die geplanten Restriktionen einen noch zu sehr eingeschränkten Veranstaltungsbetrieb für unsere Einrichtungen.
Seit nunmehr zwei Jahren bestimmt die Corona-Pandemie unseren Alltag. Damit verbunden sind die Verordnungen des Freistaates Sachsen, die in das öffentliche und private Leben stark eingreifen. Die allgemeine Weiterbildung gehörte zu den Bereichen, die von Anfang an mehrmals über Monate hinweg für Präsenzveranstaltungen schließen musste. In den Öffnungsphasen arbeiteten wir Einrichtungen mit strengen Hygienekonzepten, die unseren Kursteilnehmerinnen und -teilnehmern sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern viel abverlangten. Dabei haben wir viel Zeit und Geld für in die Anschaffung der Hygieneschutzmaßnahmen investiert und Abläufe geändert.
Wir wissen nun, dass wir mit unseren Hygienekonzepten, mit Zugangsregeln und vielem mehr unsere Einrichtungen zu sicheren Orten gemacht haben. Aus gesellschaftlicher Verantwortung heraus und in der Hoffnung, dass eine verlässliche Perspektive für unsere Einrichtungen entwickelt wird, haben wir dennoch den Lockdown vom 22. November bis zum 13. Januar mitgetragen. Die anschließende vorsichtige Öffnung hat uns Zuversicht gegeben, dass wir nun im Jahr 2022 nicht mit weiteren Schließungen durch Corona-Notverordnungen konfrontiert werden. Mit Erstaunen stellen wir freien Träger der Erwachsenenbildung gemeinsam mit der Landeszentrale für politische Bildung Sachsen nun fest, dass mit der Veröffentlichung des Stufenplans durch das Sozialministerium unsere Veranstaltungen künftig ständig der Gefahr ausgeliefert werden, runtergefahren bzw. eingeschränkt zu werden. Begründet wird das mit der Auslastung von Krankenhausbetten und mit der 7-Tage-Inzidenz pro 100.000 Einwohner. Es ist bei der Ausbreitung der Omikron-Variante oder einer nächsten Corona-Variante nur eine Frage der Zeit, bis wir in Sachsen die Bemessungsgrenzen erreichen. Eine Planbarkeit, die von unseren Einrichtungen eingefordert wird, können wir so nicht gewährleisten. Das hat auch Auswirkungen auf unsere Bildungsangebote, die wir bei dieser Unplanbarkeit nicht mehr erbringen können - und das nicht nur wegen der über Monate hinweg fehlenden Einnahmen. Das mehrfache kurzfristige Schließen, zwischenzeitliche Öffnen und das erneute Schließen zermürbt und bringt Kursteilnehmer, Veranstalter, Referenten, Betreiber und Beschäftigte an ihre psychischen Belastungsgrenzen.
Wir freien Träger der allgemeinen Erwachsenenbildung richten uns wie die Landeszentrale für politische Bildung an jeden in Sachsen - unabhängig von Herkunft, Weltanschauung und sozialem Stand. Mit unseren Angeboten leisten wir einen wichtigen Beitrag zur Lebensorientierung, Wertevermittlung und nicht zuletzt für das demokratische Miteinander in unserer freiheitlich verfassten Gesellschaft. Unterstützt durch unsere Bildungsarbeit finden Runde Tische und Dialoge zwischen Generationen und Menschen unterschiedlicher Herkunft und verschiedener politischer Einstellung statt. Das wollen wir weiterführen und dazu beitragen, dass sich Menschen an der Gestaltung unseres Landes beteiligen. Insbesondere gilt das für den ländlichen Raum, so wie wir uns darüber am 1. November 2021 beim Landesforum „Erwachsenenbildung – Ländliche Strukturen neu gedacht“ in Schmochtitz mit den Trägern und Partnern der Weiterbildung sowie Politik und Verwaltung in Sachsen ausgetauscht haben.
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, wir Einrichtungen der allgemeinen Erwachsenenbildung wenden uns mit der Bitte an Sie, bei den anstehenden Gesprächen und Verhandlungen darauf hinzuwirken, einen weiteren Lockdown für unsere Häuser zu verhindern. Wir brauchen heute eine Öffnungsperspektive, um uns auf den Veranstaltungsstart im März oder April vorzubereiten. Die Vorlaufzeit ist für uns dringend notwendig, um das Veranstaltungsprogramm wieder hoch zu fahren. Des Weiteren bitten wir um eine künftig bessere Lesbarkeit der Verordnungen, das heißt eine klare Struktur und eine Konsistenz der Begriffe, die nicht mehr zu erkennen ist.
Mit freundlichen Grüßen
Frank Schott (Arbeit und Leben Sachsen e.V.)
Michael Sorge (Bildungswerk des Landessportbundes Sachsen)
Thomas Emmrich (Liga der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege in Sachsen)
Dr. Erik Panzig (Evangelische Erwachsenenbildung Sachsen)
Dr. Roland Löffler (Sächsische Landeszentrale für politische Bildung)
Beate Franze (Ländliche Erwachsenenbildung im Freistaat Sachsen e.V.)
Dr. Michael Schlitt (Internationales Begegnungszentrum St. Marienthal)
Sebastian Kieslich (Katholische Erwachsenenbildung Sachsen (KEBS))