Rezension: Plastik | Pia Ratzesberger

So komfortabel, wie gefährlich.

In dem Buch „PLASTIK“ beschreibt die Autorin Pia Ratzesberger, wie der Kunststoff die Welt erobert hat, warum das gefährlich ist und was wir tun können, um in Zukunft deutlich weniger des bequemen Allrounders zu verbrauchen.

 

„Das Meer vergisst nicht.“ Damit steigt Pia Ratzesberger direkt ein in die Kerndebatte, die das Thema Plastik und dessen Unverrottbarkeit medial seit einiger Zeit umtreibt. Jedes ins Meer gelangte Plastikstück wird noch in mindestens 450 Jahren auf dem Grunde liegend, auf der Oberfläche treibend oder als Mikroplastik zerrieben existieren.

Um die komplexe Geschichte von der Erfindung des heilsbringenden Rohstoffes, über die Mär von der umfassenden Recycelbarkeit bis zu den Prognosen und Möglichkeiten der Zukunft zu skizzieren, ist das Buch in sieben knackig kurz titulierte Kapitel gegliedert: Beginnend mit „Das Plastik“ und „Der Müll“, geht es weiter mit „Die Gefahren“, „Die Herkunft“, dann „Der Weg“, „Der Mensch“ und schließlich „Die Zukunft“.

Das Meer als ‚Endlager’ der globalen Plastikflut taucht immer wieder auf. Pia Ratzesberger beschreibt einen schwimmenden Müllteppich von der vierfachen Größe Deutschlands, das „Great Pacific Garbage Patch“. Vier weitere Großmüllhalden treiben jeweils in Äquatornähe, wo die Strömungen aus Nord und Süd aufeinandertreffen, im Meer. Eine schematische Weltkarte zeigt, wo sich jene fünf Müllstrudel in den Weltmeeren befinden.

Überhaupt lockern zahlreiche Abbildungen, Infografiken und typografisch abgesetzte Listen die Kapitel auf sehr smarte Weise auf und fassen die Textinformationen kompakt zusammen. Wer wollte nicht schon mal wissen, welche 15 Dinge, die an europäischen Stränden am häufigsten gefundenen Einwegprodukte sind? Kleiner Spoiler: Neben Einwegbesteck und -tellern zieren auch benutzte Tampons, Hygieneeinlagen und Luftballonhalter die Urlaubsparadiese der Europäer.

Auch das „Kleine Lexikon der Kunststoffe“ kann helfen, die Kürzel auf den Verpackungen zu dechiffrieren und die „8 Vorschläge, um Plastik zu vermeiden“ fassen knackig zusammen, wie leicht das Umdenken im Alltag sein kann.

In klaren Worten stellt Pia Ratzesberger klar: Plastik ist überall. In fast allen Bereichen unseres Lebens, sei es Kleidung, Wohnungseinrichtung, Gesundheit und Verkehr sind Kunststoffe nicht mehr wegzudenken. Als Plastikmüll gelangt es schließlich in die Umwelt, in die Gewässer und leider auch nicht selten in die Mägen vieler Tiere. Dass wir Deutschen uns dabei als Recycelmeister entspannt zurücklehnen können, mit dieser Mär räumt die Autorin an vielen Stellen und faktenreich unterlegt auf: „Wir häufen mit unseren Verpackungen in Deutschland so viel Abfall an, wie in keinem anderen Land in der Europäischen Union.“ Allein in den Tonnen vor unserer Haustür landen pro Kopf und Jahr etwa 100 Kilogramm Verpackungsmüll. Ein Hauptgrund dabei ist unsere Bequemlichkeit, gepaart mit einer zunehmend vereinzelteren Gesellschaft – convenience food (bequemes, portioniertes und abgepacktes Essen) ist zum Lifestyle geworden. Die Industrie springt gerne auf.

Die Autorin des kompakten Buches ist Jahrgang 1990, Redakteurin der Süddeutschen Zeitung und hat Politik, Ökonomie und Interkulturelle Kommunikation studiert. Als heute Dreißigjährige wurde sie voll in das ‚Plastikzeitalter‘ hineingeboren. Dabei betrachtet sie das Thema nicht einseitig, stellt klar, dass viele Facetten zu berücksichtigen sind. Wer etwa auf die Plastiktüte im Supermarkt verzichten möchte, sollte sich gleichzeitig klar machen, dass eine Papiertüte und erst recht ein Baumwollbeutel deutlich mehr Ressourcen bei der Herstellung verbrauchen als ein Einwegplastikbeutel. Deshalb ist eine Mehrfachbenutzung in jedem Fall ratsam.

Das gesamte Buch ist gut verständlich, lebensnah und beispielhaft geschrieben. Wer sich bereits intensiv mit der Thematik beschäftigt hat, nimmt möglicherweise nicht so viele neue Erkenntnisse mit. Wer sich jedoch in die Thematik einlesen möchte, das Thema zwar bereits medial verfolgt, aber noch nicht in all seinen Facetten durchleuchtet hat, der wird in den runden 100 Seiten viel Wissenswertes, praktische Tipps und mögliche Alternativen zum allgegenwärtigen Plastikwahn finden.

Wir haben das Buch in unserem aktuellen Publikationsangebot. Es kann direkt in unserem Online-Bestellsystem oder im Rahmen unserer "Zeit zum Lesen!?"-Aktion bestellt werden.