Allein schon das für eine Onlinekonferenz beachtliche Interesse von zeitweise bis zu 50 Teilnehmern zeigte, dass die SLpB mit der Konferenz "Wirksam wirtschaften. Für einen nachhaltigen Platz am Markt" am 11. Mai ein zentrales Thema getroffen hatte. Ein Thema, das sie über die Bundestagswahl im September hinaus diskutieren will. Eigentlich ein altes Thema. Katrin Fischer, Referentin für Wirtschaft, Soziales und CSR an der Landeszentrale, stapelte fast noch ein bisschen tief, als sie eingangs an eine mehr als hundertjährige Tradition verantwortlichen Unternehmertums in Deutschland erinnerte. Mit der Industrialisierung, wenn man so will, mit der ersten Welle des Turbokapitalismus im 19.Jahrhundert kam auch die moralische Verpflichtung der Reichgewordenen gegenüber der gesamten Gesellschaft ins Spiel.
"Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen", steht denn auch im Artikel 14 des Grundgesetzes. Das Thema wurde einmal mit dem heute aus der Mode gekommenen Begriff "Wirtschaftsethik" umschrieben. "Die Wirtschaftsethik zeigt Wege auf, wie Konflikte zwischen moralischen Forderungen der Gesellschaft und ökonomischen Erfordernissen in der Wirtschaft überwunden werden können", lautet eine gängige Begriffsdefinition.
Unternehmenskultur gewinnt an Bedeutung
Heute verbirgt sich dieser Anspruch hinter der Abkürzung CSR, kurz für Corporate Social Responsibility. Es kann inzwischen aber nicht bei sozialen Aspekten verantwortlichen Wirtschaftens bleiben, zeigte Katrin Fischer in ihrer Einführung auf. Nachhaltigkeit erweist sich als immer dringender. Dr. Roland Löffler, Direktor der SLpB, fügte in seiner Begrüßung noch die Aspekte "gesellschaftliche Verantwortung", "Gemeinsinn" und "Ehrenamt" hinzu. "Das Unternehmensprofil wird wichtiger", sagte er mit Blick auf den geschätzten Bedarf von 300.000 Facharbeitskräften allein in Sachsen in den kommenden Jahren.
Referent Prof. Michael Uhlmann von der Chemnitzer Arbeit, Technik und Bildung gGmbH ATB untermauerte dies später mit den Ergebnissen einer Befragung unter etwa tausend Schülern. Technologischer Höchststand in einem Unternehmen, ja sogar das Einkommen standen hinsichtlich ihrer Berufs- und künftigen Arbeitsplatzwahl erst an dritter oder vierter Stelle. Am wichtigsten war ihnen das Betriebsklima, ein Indiz für Veränderungen in der so genannten Work-Live-Balance.
Die Tagungsbeiträge belegten einen Bewusstseinswandel in dieser Hinsicht bei Teilen der Legislative, Unternehmen und deren Kunden. Sowohl der verantwortliche Umgang mit den begrenzten Ressourcen unserer Erde als auch die Attraktivität und Lebensfreundlichkeit von Unternehmen für begehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind als Aufgabe erkannt und akzeptiert.
Andreas Völlings vom Umwelt-, Energie- und Landwirtschaftsministerium Sachsen stieg in seinem Impulsvortrag mit einem Überblick aus der Perspektive der Staatsregierung ein: Es gibt eine Nachhaltigkeitsstrategie des Freistaates, eine Umweltallianz, es soll bald eine Förderrichtlinie für die Unternehmenskooperation bei freiwilligen Umweltleistungen kommen. Der Kenia-Koalitionsvertrag will "das Prinzip der Nachhaltigkeit bei der Vergabe stärken", also öffentliche Aufträge an ökologische Kriterien binden. Den übergeordneten Rahmen bilden selbstverständlich Gesetze des Bundes und der EU. Völlings vermied allerdings die Erwähnung eines beispielhaften Dilemmas, in dem gerade sein Haus beim Leipziger Flughafen steckt. Die geplante drastische Erweiterung der Frachtflüge durch DHL schont weder die Anwohner noch die Umwelt.
Ermutigende sächsische Beispiele
In den Vorträgen und besonders in den acht Denk-Räumen der Breakout-Session wurde über hoffnungsvolle und engagierte sächsische Beispiele berichtet. In diesen kleineren Kreisen plauderten die Teilnehmenden ohnehin lockerer, zum Beispiel über regelmäßige Bierrunden, bei denen sie über die Lage der Firma diskutieren. Karina Stricker-Kössler erwähnte das Engagement der Dresdner SAP-Niederlassung für das Kinderhaus "Rabe". Beispiele weltweiten Engagements schilderte Clivia Bahrke von der allerdings auch öffentlich geförderten Hilfsorganisation "arche nova".
René Schiller, Kommunikationschef des börsennotierten Berliner Softwareunternehmens GK Software, ließ Projekte vor allem bei der Niederlassung im vogtländischen Schöneck im Wortsinne schillern. Das dort eingerichtete Schülerrechenzentrum soll natürlich den potenziellen Nachwuchs stimulieren. Eine der Win-Win-Situationen, von denen in der knapp vierstündigen Konferenz häufig die Rede war. Als Vorzeigebeispiel bezeichnete Schiller ein eigenes Mitarbeiterprogramm mit Fitnessstudio, Café und Fahrrad-Leasing. Die Kür sozusagen, "das, was auch noch nett wäre".
Im Sinne einer gewünschten Unternehmenskultur ist das aber mehr als eine großzügige Geste, gab Wirtschaftsförderer Lißke aus dem Erzgebirge zu bedenken. Nach einer ihm vorliegenden Statistik empfinden 14 Prozent der Beschäftigten gar keine, 71 Prozent eine geringe und nur 15 Prozent eine hohe Bindung an ihr Unternehmen. "Die meisten machen also Dienst nach Vorschrift", zog er einen negativen Schluss.
Widerspruch: Marktkonkurrenz und Unternehmensverantwortung
Auch im begrenzten lokalen und regionalen Rahmen haben Unternehmen und Wirtschaftsförderer also Handlungsspielräume. Solche Berichte wirkten ermutigend, und in den abschließenden Statements wurde eine intensivere Vernetzung untereinander wenigstens bis zur nächsten Konferenz angeregt. Der hinter der Einsicht in nachhaltige Erfordernisse aufscheinende Widerspruch zu den realen Konkurrenzbedingungen an den Märkten aber wurde lediglich angedeutet und noch nicht diskutiert. Eigentlich auch ein altes Thema, denn spätestens seit dem ersten Bericht des "Club of Rome" 1972 wird das schier unbegrenzte Wirtschaftswachstum infrage gestellt.
In Richtung solcher Grundfragen und Widersprüche weiterzudenken, regten immerhin einige Schilderungen und Beispiele aus der Praxis an. Modisches "Green Washing" wurde benannt. "Man macht es einfach", meinte Mathias Lißke von der Wirtschaftsförderung Erzgebirge, oder man macht es wegen der Unternehmenssituation einfach nicht. Die "drei Bände CSR" habe er jedenfalls erst einmal beiseitegelegt, "zu viel Wissenschaft und graue Theorie". Markus Will von der Hochschule Zittau relativierte die erfreulichen Beispiele dahingehend, dass in der Breite wenig gemacht würde. Gegen das Lieferkettengesetz sei sogar eine emsige Lobby aktiv.
Jurist Bernhard Kelz von stARTcamp Dresden benannte auch das Dilemma zwischen dem Zwang zu marktbedingter Gewinnmaximierung und der gewünschten Verantwortung, brachte aber zugleich einen optimistischen Akzent ein. Kurzfristig seien Nachhaltigkeit und Investitionen in Mitarbeiterfreundlichkeit zwar Kostenfaktoren, langfristig aber nicht. Es handele sich dabei nicht um einfache Entscheidungen, "aber sonst sägen wir den Ast ab, auf dem wir alle sitzen". Dass es zu solchem Handeln globaler Regeln und fairer Wettbewerbsbedingungen für alle bedürfte, wurde wiederum nicht diskutiert. Kelz brachte ein verblüffendes Beispiel für die Einsicht in die Notwendigkeit, über die schon unsere Vorfahren im Mittelalter verfügten: Die Dreifelderwirtschaft, bei der ein Acker aller drei Jahre ein Erholungsjahr genießt, entspräche heute jährlich 85 Urlaubstagen oder einer 27-Stunden-Woche für Arbeitnehmer.
300.000 Fachkräfte für Sachsen sind möglich
Darf, ja muss CSR ein Unternehmen schmerzen oder nicht? Divergierende Meinungen dazu hoben sich letztlich in der Einsicht in die Notwendigkeit auf. CSR sollte auf jeden Fall ehrlich gemeint sein und nicht in "Dokumentarismus" ausarten, warnte Michael Uhlmann vom ATB Chemnitz vor Alibimaßnahmen. Die 300.000 gesuchten Fachkräfte wurden zwar heute noch nicht gefunden, hieß es scherzhaft in einem Bericht aus den "Denkräumen". Noch nicht, aber mit freundlichen und nachhaltigen Beschäftigungsangeboten werden sie sich leichter finden lassen.