Dresden hat zum Beispiel Coventry und Breslau, Chemnitz Ljubljana und Łódź und Borna hat Étampes und Irpin – Partnerstädte als Türöffner in eine Welt außerhalb der sächsischen Grenzen. Städtepartnerschaften als der rote Faden, der die Europäische Union erst zusammenhält. "Europa ist einfach kein Selbstläufer. Es braucht diese Basis in den Kommunen", sagte Dr. Eileen Keller in ihrer einleitenden Keynote zur Netzwerktagung "Städtepartnerschaften in Sachsen – Überholte Idee oder Außenpolitik der Kommunen?" am 13. März 2021.
Beachtlicher Stellenwert
Das Netzwerktreffen fand online statt, rund 40 Vertreterinnen und Vertreter von Städten und Gemeinden in ganz Sachsen, von Partnerschaftsvereinen oder einfach Interessierte wählten sich an diesem Samstagnachmittag ein in die Zoom-Veranstaltung. Drei Stunden lang diskutierten sie über den Status quo der Partnerschaften, tauschten eigene Erfahrungen aus und entwarfen Ideen zur Weiterentwicklung und Unterstützung von Initiativen.
Dr. Eileen Keller ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Deutsch-Französischen Institut (dfi) in Ludwigsburg. In einem ihrer Aufsätze beschreibt sie deutsch-französische Städte- und Kommunalpartnerschaften als "Kooperationsinstrument par excellence". Als Gastrednerin bei dem erstmals von der SLpB initiierten Netzwerktreffen diskutierte sie mit den Teilnehmenden und unterstrich den "beachtlichen Stellenwert", den Städtepartnerschaften in den kommunalen Verwaltungen einnähmen – für sie besonders auch daran erkennbar, wenn sich Stadtoberhäupter verantwortlich fühlten für die Ausgestaltung der Beziehungen. "Städtepartnerschaften mobilisieren breit", sagte Eileen Keller. "Über Vereine erreiche ich Menschen, die einfach ihrem Hobby nachgehen. Über gemeinsame Interessen schaffe ich Anknüpfungspunkte für Menschen mit ganz unterschiedlichen Voraussetzungen und Hintergründen." Ein Austausch, der auch ohne Sprachkenntnisse funktioniert. "Gelebte europäische Realität", nennt es die Politologin; eine Realität, die allerdings immer auch abhängig sei vom Engagement Einzelner. "Ich bin Teil eines größeren Ganzen – das allein wirkt häufig schon motivierend", sagte Eileen Keller.
Doch – wie auch in anderen Bereichen zivilgesellschaftlichen Engagements – sind städtepartnerschaftliche Vereine und Initiativen auf der Suche nach vor allem jungen Menschen, die sich längerfristig einbringen möchten. Schülerinnen und Schüler profitieren vom internationalen Austausch, verlassen jedoch häufig ihre Gemeinden, um zu studieren. Kaum einer, der sich dann noch einsetzt für die partnerschaftlichen Beziehungen der Heimatstadt. Zeit hätten vor allem ältere Bürgerinnen und Bürger, stellte der überwiegende Teil der Teilnehmenden fest. Menschen mitten im Berufsleben, jungen Familien fehle trotz Interesse schlichtweg die Zeit. In der finanziellen Förderung fände diese Diskrepanz noch keinen Niederschlag. Da beklagten die Teilnehmenden an diesem Nachmittag eine Vernachlässigung der Leistungen Älterer gegenüber der jungen Menschen und derer Projekte.
Gelebte Geschichtsarbeit
Dabei seien Städtepartnerschaften weit mehr als bloße Tourismusprogramme. Ein Teilnehmer sieht sie als niedrigschwellig zugängliches Element politischer Bildung, "als gelebte Geschichtsarbeit gerade im Kampf gegen Fremdenfeindlichkeit und Vorurteile". Und Eileen Keller ergänzte: "Wenn es in der großen Politik knirscht, guckt man gern auf die Städtepartnerschaften, weil die oft die Verbindung halten." Dort überwiegt das Zwischenmenschliche politische Differenzen, geschieht Unterstützung, findet ein Lerneffekt statt in Herz und Kopf und manchmal auch sprachlich.
In kleineren Gruppen, sogenannten Breakout-Sessions, vertieften die Teilnehmenden ihre Themen. Unter anderem stellte Dr. Gabriele Goldfuß, Leiterin des Referates Internationale Zusammenarbeit der Stadt Leipzig, die Städtepartnerschaften der Messestadt vor. Zwölf internationale Partnerschaften pflege Leipzig, fünf internationale Kooperationen und eine Stadtteilpartnerschaft. Für Goldfuß wichtige Verbindungen im Dienste der Völkerverständigung und "sie sind der sichtbarste Bereich und Leuchtturm der internationalen Arbeit einer Stadt". Um eine Städtepartnerschaft langfristig zu gestalten, müsse neben dem bürgerschaftlichen Engagement vor allem auch eine Verlässlichkeit in Krisensituationen gegeben sein, müsse die Partnerschaft verankert und gestaltet werden unter Einbeziehung der Fachämter einer Stadtverwaltung, müsse bürgerschaftliches Engagement die Beziehungen zwischen den Kommunen am Leben erhalten, Internationalität Teil der Strategie einer Kommune sein. "Wir müssen global denken und glokal handeln", sagte Gabriele Goldfuß und "je größer die Vielfalt vor Ort schon ist, desto kräftiger können wir die Sache nach vorn entwickeln".
Formalitäten als Hemmschuh
In weiteren Kleingruppen diskutierten Interessierte über die Einbeziehung der Jugend, über Fördermöglichkeiten und die Verstetigung von Partnerschaften auch in Zeiten der Corona-Krise, in der ein direkter Austausch und Reisen nicht möglich sind. Christoph Schmitt, Referent für Entwicklungszusammenarbeit der Sächsischen Staatskanzlei, stand hier beratend zur Verfügung. Insbesondere bei der Organisation und Gestaltung von Partnerschaften außerhalb der Europäischen Union war der Wunsch nach Unterstützung und Vernetzung groß. Allerdings, merkte ein Diskutant an, können Menschen ihre Städtepartnerschaft durchaus zu Hause gestalten: "Die Arbeit muss hier gemacht werden, die Beschäftigung mit dem Nachbarland bei uns stattfinden", sagte er. Reisen als Sahnehäubchen für zuvor geleistete Hausaufgaben.
Zuletzt erläuterte Björn Müller-Bohlen vom Projekt "Twin City Lab" das Konzept, die Idee der Städtepartnerschaft zu erweitern. Ein biographischer Bezug zur Partnerschaft sei seiner Ansicht nach nicht zwingend notwendig, klassische Konferenzen inzwischen ein Auslaufmodell, Formalitäten ein Hemmschuh in der kreativen Gestaltung der Beziehungen. "Twin City Lab" begleite Städtepartnerschaften darum vor allem im Bereich des zivilgesellschaftlichen Engagements, vernetze Initiativen und unterstütze sie dabei, kollaborativ Projekte zu entwickeln. "Geld ist zumeist nicht das einzige Problem, häufig mangelt es an anderen Ressourcen", sagte Müller-Bohlen. Deswegen berieten er und sein Team nicht nur zu Fördermöglichkeiten, sondern sie stellen auch Kontakte her zu Fachleuten.
Abseits der gewohnten Wege Neues finden – die Motivation unter den Teilnehmenden des Netzwerktreffens war hoch an diesem Nachmittag. Für den Austausch von Erfahrungen und das Knüpfen von Kontakten war mit der Veranstaltung ein erster Grundstein gelegt. Weitere sollen folgen, fanden die Menschen an den Bildschirmen. Beim nächsten Mal möglichst real, nicht nur virtuell. Zwischenmenschlicher Austausch funktioniert wie in jeder guten Partnerschaft am besten direkt.
Präsentation Dr. Eileen Keller
Präsentation Deutsch-Französischer Bürgerfonds
Präsentation Deutsch-Tschechischer Zukunftsfonds
Präsentation Städtepartnerschaften Leipzig