Frau Dörner, Sie haben im Rahmen der netzpolitischen Tage das Projekt #mehralsherzen entworfen. Was kann ich mir darunter vorstellen?
Dörner: #mehralsherzen ist eine Instagram Kampagne, die unter dem Hashtag #mehralsherzen Beiträge sammelt, die sich kritisch mit unserer Online-Kommunikation beschäftigen. Das spielt auf Phänomene an wie die Verrohung der Sprache im Netz bis hin zu menschenverachtenden Postings oder Hatespeech. Die Kampagne setzt sich außerdem kritisch mit der sogenannten Like-Kultur auseinander, dass wir unter Umständen 100 Likes als wichtiger empfinden als einen wertschätzenden Kommentar. Unter #mehralsherzen wollen wir also Beiträge, Erfahrungsberichte und Informationsmaterialien rund um das Thema kritische Auseinandersetzung mit der Online-Kommunikation sammeln. Unser Ziel ist es, über diesen Hashtag die verschiedenen Angebote, die es zu diesem Thema bereits gibt, sichtbarer zu machen. Wir wollen zeigen, dass es eben nicht nur beleidigende Sprache im Netz gibt, sondern auch viele Menschen, denen genau das Gegenteil wichtig ist. Wir wollen zeigen, wie wertschätzende Kommunikation aussehen kann.
Für Viele ist Instagram zuerst einmal die Plattform schöner, heimeliger Bilder, wo alles irgendwie nett ist. Wie soll die Kampagne da funktionieren?
Wir bedienen zwei verschiedene Formate: Das eine nennen wir Erklärstücke – Grafiken mit Text, die die wichtigsten Begriffe klären. Diese Postings dienen als eine Art Teaser, die zu ausführlicheren Beiträgen auf unserer Webseite verlinken. Das zweite Format sind Postings in Form ästhetischer Grafiken, um Leute für das Thema zu interessieren, weil Instagram ein sehr stark bildbezogenes Medium ist. Über diese ästhetischen Grafiken wollen wir sensibilisieren und einen Austausch über die angesprochenen Themen anstoßen. Wir stellen die Bilder auch als sogenannte Sharepics zur Verfügung. Die Community kann sie selbst für eigene Postings verwenden.
Wenn Sie Community sagen – wen wollen Sie erreichen?
Unsere Kernzielgruppe sind Multiplikator:innen aus der pädagogischen Praxis, die genauso wie wir mit jungen Menschen arbeiten, sei es in Workshops, im Umfeld von Jugendtreffs oder Jugendverbänden zur politischen Bildung. Diesen wollen wir ausreichend Material und Informationen an die Hand geben, das sie in die jüngere Zielgruppe streuen können.
Wie kann ich mir als Nutzerin die Sharepics vorstellen?
Gestalterisch haben wir das Motiv der Hand gewählt. Durch die Hände in der Grafik haben wir etwas sehr Organisches, etwas Menschliches, was gewissermaßen für die wertschätzende Kommunikation zwischen Personen steht. Dadurch, dass wir die Grafiken bei Instagram veröffentlichen, betonen wir die digitale Seite und schaffen zugleich eine Verbindung. Wir wollen damit anregen, sich mehr mit wertschätzender Kommunikation online zu beschäftigen.
Haben Sie denn den Anspruch, mit dieser Kampagne auch viral zu gehen?
Toll ist das natürlich immer. Aber da wir uns in einem Bildungskontext bewegen, sollten wir die Ziele nicht zu hoch setzen. Für uns ist das ein Versuch, unser Thema über das Medium Instagram in die Breite zu tragen, ohne dass es in irgendeinem Workshop stattfindet. Solche Kampagnen und auch die Entwicklung bestimmter Hashtags braucht immer eine gewisse Zeit. Und letzten Endes gehört ganz viel Glück dazu, zum richtigen Zeitpunkt an die richtige Person gelangt zu sein, die unsere Inhalte dann in die richtige Community eingestreut hat. Unser Wunsch ist es, dass dieses Projekt, diese Kampagne auch nach den netzpolitischen Aktionstagen nachwirkt. Mir geht es darum, dass eine tiefere Auseinandersetzung mit der Art der Kommunikation im Netz stattfindet. Damit setzen wir die Erfolgskriterien eher qualitativ als quantitativ. Die Ambivalenz steckt ja schon in dieser Kampagne: Wenn wir versuchen, den Erfolg dieses Hashtags #mehralsherzen oder unserer Postings zu messen, dann sind wir wieder an dem Punkt zu sagen, wir brauchen besonders viele Likes, um den Algorithmus zu bedienen, was ja aber eigentlich der Grundaussage von #mehralsherzen irgendwie widerspricht.
Also wären Likes einerseits schon wichtig, andererseits widersprechen sie bis zu einem gewissen Grad dem Ziel der Kampagne – haben Sie denn dann überhaupt vor, auch mit sogenannten Influencern, also Menschen mit einer großen Fangemeinde auf Instagram zusammenzuarbeiten?
Unser Ziel ist es, einige Influencer:innen anzusprechen und für das Thema zu interessieren, weniger, ihnen ein großes Budget dafür zu bezahlen, dass sie unsere Inhalte teilen. Ich halte es für sehr wichtig, um diese Kampagne auch in die Communities zu tragen, die wir als Medienpädagog:innen sonst nicht direkt erreichen.
Reicht denn eine Instagram-Kampagne, um die Aufmerksamkeit für einen wertschätzenden Umgang miteinander in den sozialen Netzwerken zu erhöhen?
Zusätzlich bieten wir Online-Workshops an. Zielgruppe sind hier Menschen, die im schulischen Bereich oder außerschulischen Bereich arbeiten. Den Teilnehmenden wollen wir auf diese Weise vertiefend vermitteln, mit welchen Methoden Sie zu diesem Thema praktisch arbeiten können.
Was konkret werden da die Inhalte sein?
Wir geben den Teilnehmenden einen Überblick darüber, wie Social-Media-Kommunikation aussieht, im Besonderen bei Instagramm. Alle, die vielleicht noch nie oder wenig Berührung mit Instagram hatten, werden da abgeholt. Wir werden dann die Problemfelder der Onlinekommunikation aufmachen und darüber sprechen. Im dritten Teil werden wir uns ganz konkret darüber austauschen, wie wir methodisch zu diesen Themen arbeiten können. Wir präsentieren Methoden, die dabei helfen, diese Themen dicht an der Lebenswelt von jungen Menschen zu gestalten. Die Workshops gehen über 90 Minuten. Es wird also keinen allumfassenden Überblick geben können, aber einen ganz guten Einstieg und auch Tipps, wo man noch mehr zum Thema finden kann. Wir haben die Zahl der Teilnehmenden auf 30 Personen begrenzt, weil aus unserer Erfahrung heraus viele Menschen mitmachen, die bereits über Erfahrung verfügen und dadurch bereits ein intensiver Austausch innerhalb der Gruppe entsteht. Ganz einfach formuliert ist das Ziel unserer Kampagne, unserer Workshops, das Netz zu einem besseren Ort zu machen.
Die Workshops zu #mehralsherzen finden am 10. und 11. November 2020 im Rahmen der bundesweiten „Aktionstage Netzpolitik und Demokratie“ online statt.