Tiefgreifender gesellschaftlicher Wandel
Das Königreich Sachsen verlor durch die Bestimmungen des Wiener Kongesses von 1815 den Zugang zur Bühne der großen Politik. Es profilierte sich aber umso deutlicher bei der Förderung und Entfaltung von Kunst, Kultur, Wissenschaft und Technik. Ein außergewöhnliches Beispiel stellt König Johann (reg. 1854 -1873) dar, der durch eine deutsche Übersetzung von Dantes divina comedia/Göttlicher Komödie seine eigene wissenschaftliche Befähigung unter Beweis gestellt hatte. Doch die Blüte der schönen Künste und Wissenschaften, die Pracht von Museen und Bauwerken, der sichtbare Fortschritt in Verkehr und Handel zeigten lediglich die Außenseite des anbrechenden Zeitalters der Moderne.
Das 19. Jahrhundert war in Sachsen auch durch einen kontinuierlichen und tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandel geprägt. Ein immenses Bevölkerungswachstum ging einher mit radikalen Veränderungen des Wirtschafts- und Arbeitslebens. All dies führte zu teilweise katastrophalen Zuständen: Als in der zweiten Hälfte der 40er Jahre eine schwere Wirtschaftskrise das Land erfasste, schlug sich die Existenznot vieler Familien im Aufstand der benachbarten schlesischen Weber nieder; 1847 kam es zur letzten großen Hungersnot in Sachsen, die von einer Kartoffelfäule verursacht worden war.
Perspektivlosigkeit und Armut der unteren Bevölkerungsschichten fanden ihren Ausdruck ebenso in großen Auswanderungswellen in Richtung USA – insbesondere aus dem Erzgebirge –, wie auch in der in Sachsen bis Ende des Jahrhunderts weit verbreiteten Kinderarbeit. Noch bis zum Anfang der 60er Jahre war Fabrikarbeit von unter 12-Jährigen gang und gäbe.
Vor diesem Hintergrund begann das Bemühen, die bedrückende soziale Not zu mildern; so zum Beispiel durch die gebürtige Meißnerin Louise Otto-Peters (1819-1895). Sie war anfänglich literarisch, dann zunehmend journalistisch tätig, schrieb für die Sächsischen Vaterlandsblätter Robert Blums und brachte am 21. April 1849 die erste Ausgabe der „Frauen-Zeitung“ heraus. Sie trat für die Emanzipation der Frau ein und beleuchtete kritisch die Probleme der Zeit, von der Not der Weber bis zur Situation der Arbeiterschaft. Im März 1865 wurde sie Vorsitzende des neu gegründeten Frauenbildungsvereins in Leipzig, dem im Oktober die Gründung des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins folgte. Diesen leitete sie bis zu ihrem Lebensende. Louise Otto-Peters wirkte deutschlandweit maßgeblich darauf hin, Frauen soziale Erleichterung und Rechtsgleichheit zu verschaffen sowie den Zugang zu besserer und höherer Bildung.