"Tag von Potsdam" - eine Propagandainszenierung
Hitler hatte kaum je ein Hehl daraus gemacht, dass er nach Erlangung der Macht brutal mit seinen politischen Gegnern umgehen werde. Viele Konservative wie Franz von Papen hatten darauf gesetzt, dass lediglich Kommunisten und linke Sozialdemokraten unter den Nationalsozialisten zu leiden hätten. Diese Einschätzung sollte sich schnell als falsch erweisen.
Der Kurs Hitlers als Reichskanzler kam anfangs manchem recht moderat vor, weil dieser sich betont staatsmännisch und im Umgang mit den konservativen Eliten zurückhaltend gab. Besonders der „Tag von Potsdam“ am 21. März 1933 sollte der Öffentlichkeit vor Augen führen, dass Hitler sich in der Tradition Friedrichs des Großen und Bismarcks sah und sich ganz im Einvernehmen mit dem greisen Reichspräsidenten Hindenburg, dem siegreichen Feldherrn und Repräsentanten alter preußischer Größe befand. Dies wirkte bei einem großen Teil der Bevölkerung beruhigend und wurde mit Zustimmung und Anerkennung aufgenommen. Doch der Tag von Potsdam war eine Propaganda-Inszenierung.
Manipulation der öffentlichen Meinung
Joseph Goebbels, der Reichsminister für Propaganda, verstand es in genialer Weise, die öffentliche Meinung im Sinne der Nazis zu manipulieren. Das Bild für die Öffentlichkeit verdeckte die Realität. Der Widerspruch zwischen dem Propagandabild der NS-Medien und der Realität führte dazu, dass viele ihrem gesunden Menschenverstand nicht mehr vertrauten. Sie gaben sich dem „schönen Schein des Dritten Reiches“ hin und verweigerten sich der kritischen Nachfrage.
Der totale Überwachungsstaat
In Deutschland setzte mit der Machtergreifung auch eine konsequente Gleichschaltungpolitik ein. Sie hatte das Ziel, die Gesellschaft zu einer gleichgesinnten Volksgemeinschaft umzugestalten. In der Praxis führte dies zu einem totalen Überwachungsstaat, der das gesamte öffentliche Leben kontrollierte.
Einen günstigen Anlass zur Ausschaltung politischer Gegner bot der Reichstagsbrand vom 27. Februar 1933. Man geht heute davon aus, dass der Brand kein Täuschungsmanöver war und somit nicht von den Nazis selbst inszeniert worden ist. Umso überraschender war die Geschwindigkeit, mit der das Regime die Situation ausnutzte: Bereits am Folgetag erließ der Reichspräsident auf Druck Hitlers die Verordnung zum „Schutz von Volk und Staat“. Sie setzte zur „Abwehr kommunistischer staatsgefährdender Gewaltakte“ eine ganze Reihe von Grundrechten außer Kraft. Der hemmungslosen Verfolgung politischer Gegner von links waren damit Tür und Tor geöffnet.
Trotz starker Benachteiligung der demokratischen Parteien war es Hitler jedoch nicht gelungen, bei den letzten halbwegs freien Wahlen am 5. März 1933 die absolute Mehrheit zu erringen. Nur mit den Stimmen der DNVP verfügte er über mehr als 50% der Reichstagssitze.
Reichstag verabschiedet Ermächtigungsgesetz
Am 23. März verabschiedete der Reichstag das „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Staat“, das sogenannte „Ermächtigungsgesetz“, das am Folgetag in Kraft trat. Artikel 1 besagte: „Reichsgesetze können außer in dem in der Reichsverfassung vorgesehenen Verfahren auch durch die Reichsregierung beschlossen werden.“ Artikel 2 lautete: „Die von der Reichsregierung beschlossenen Gesetze können von der Reichsverfassung abweichen...“
Es ermöglichte somit der Reichsregierung den Erlass von Gesetzen ohne Zustimmung oder Behandlung im Reichstag. Es war die Aufhebung des Grundsatzes der Gewaltenteilung zwischen Gesetzgebung und vollziehender Gewalt. Dem Ermächtigungsgesetz stimmten alle im Reichstag vertretenen Parteien mit Ausnahme der SPD zu. Die KPD-Abgeordneten waren bereits aus dem Parlament verbannt worden.
Am 22. Juni wurde die SPD verboten und bis zum 5. Juli lösten sich alle Parteien mit Ausnahme der NSDAP auf. Seitdem gab es keine parteipolitische Opposition im Deutschen Reich mehr, der Reichstag und Gesetzgebungsverfahren waren zu einer Farce geworden.
Das Ermächtigungsgesetz wurde 1937, 1939 und 1943 verlängert. Es trug maßgeblich dazu bei, dass behauptet werden konnte, die Weimarer Reichsverfassung sei de facto nie außer Kraft gesetzt worden.
Ausschaltung politisch Andersdenkender
Die Verfolgung politisch Andersdenkender erfolgte schon bald jenseits rechtsstaatlicher Normen. Der Staatsterror unterdrückte oppositionelle Meinungen und Gruppierungen nachhaltig. Ein Netz von Konzentrationslagern wurde eingerichtet, so am 22. März 1933 das Konzentrationslager Dachau. Es hatte Modellcharakter für alle späteren Konzentrationslager und wurde von der SS geführt.
Am 30. Juni 1934 und den Folgetagen entledigte sich Hitler unter dem Stichwort „Röhmputsch“ in einer Mordaktion unliebsamer politischer Akteure. Unter den Hingerichteten waren der SA-Führer Ernst Röhm und der ehemalige Reichskanzlers Kurt von Schleicher. Der „Röhmputsch“ sorgte dafür, dass auch innerhalb der NS-Bewegung jedwede intere Oppositionshaltung gegenüber Hitler erlosch.
Als am 2. August 1934 Reichspräsident von Hindenburg starb, war schließlich die letzte politische Autorität abgetreten, die aufgrund ihres Amtes als Korrektiv zur NS-Politik fungieren konnte. Lediglich die Reichswehr bot oppositionellen Kräften noch einen Wirkungskreis innerhalb des Staatsapparates. Aufgrund der anfänglichen spektakulären Erfolge des NS-Regimes und der damit verbundenen steigenden Zustimmung durch weite Teile der Bevölkerung wurde es jedoch schwer für warnende Stimmen, sich Gehör zu verschaffen.