Preisverleihung Filmpreis "Voll politisch": Kurzfilm über Polizeigewalt in Belarus prämiert
„Ein Zimmer, wie es überall sein könnte. Darin eine künstlerische Versuchsanordnung, die von den Grausamkeiten während der Massenverhaftungen 2020 bei Demonstrationen in Belarus erzählt. Der Film erscheint wie ein Trainings-Handbuch für das System der Folter. Mit beeindruckend wenigen filmischen Mitteln verfremdet Pavel Mozhar das Unterdrückungssystem Lukaschenkos. Ein Film, der unter die Haut geht“, lautete das Urteil der Jury.
Am Donnerstag, 7. April, wurden die fünf für den Filmpreis „Voll politisch“ nominierten Kurzfilme in der SLpB in Dresden gezeigt. Den Auftakt machte der knapp halbstündige Film „A Máquina infernal/Die Höllenmaschine“ von Regisseur Francis Vogner dos Reis: In einer Kombination aus sozialkritischen Betrachtungen und surrealen Horror-Elementen beleuchtet dieser die desolaten Arbeitsbedingungen in einer Fabrik in Brasilien. Die Arbeiterinnen und Arbeiter sind einer bedrohlichen und gesundheitsgefährdenden Situation ausgeliefert – und können ihr aus ökonomischen Gründen nicht entkommen.
Alle fünf Kandidaten auf der Shortlist für den Preis hatten es „in sich“, wie Moderatorin Linda Kujawski es in ihrer Ankündigung treffend ausdrückte. Die Jury-Mitglieder 2022, der Regisseur Arkadij Khaet („Masel Tov Cocktail“, „Alina im Wunderland“, „Scheideweg“ u.a.), Filmemacherin Sabine Michel („Ostpolitikerinnen“, „Montags in Dresden“, „Zonenmädchen“ u.a.) und Dr. Roland Löffler, Direktor der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung, teilten ihre unmittelbaren Eindrücke von den Filmen mit dem Publikum. Die Entscheidung der Jury wurde aber erst zwei Tage später, bei der Preisverleihung in der „Schauburg“, verkündet.
Der mit 3.000 Euro dotierte Filmpreis „Voll politisch“, der seit letztem Jahr im Rahmen des Filmfests Dresden vergeben wird, ging an den Kurzfilm „Handbook/Handbuch“ von Pavel Mozhar. Der 1987 in Minsk geborene und seit 1997 in Berlin lebende Regiestudent fand für seinen Dokumentarfilm eine ungewöhnliche Form. Er ließ Sprecherinnen und Sprecher die Aussagen von Männern und Frauen aus Belarus vortragen, die 2020 verhaftet wurden und später die in der Haft erlebten Folterungen und Demütigungen schilderten. Die Berichte kombiniert er mit auf nüchtern-sachliche Art nachgestellten Szenen der Gewalt, gefilmt in einem leergeräumten Zimmer seiner Berliner Wohnung. Insgesamt sichtete Pavel Mozhar für seinen Film rund 220 Interviews von Betroffenen und Augenzeugen der Verhaftungen.
Neben der Preisvergabe an „Handbook/Handbuch“ sprach die Jury eine lobende Erwähnung für den Film „Kirschknochen“ von Evgenia Gostrer aus: „Nah, persönlich, warm wird der Fluss einer Migration auf die Leinwand geknetet“, so die Jurymitglieder über den autobiographischen Animationsfilm. Evgenia Gostrer erzählt im filmischen Dialog mit ihren Eltern die Geschichte der Emigration der Familie aus der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland und beleuchtet die Situation der sogenannten jüdischen Kontingentflüchtlinge in den 1990er Jahren.
Der Filmpreis „Voll politisch“ wurde 2021 ins Leben gerufen: von der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung (SLpB) und dem Filmfest Dresden. Roland Löffler, Direktor der SLpB: „Der Kurzfilm ist ein spannendes Medium, denn er kann politische Fragen und Konflikte visuell aufarbeiten. Unsere politische Bildungsarbeit ist vom Grundsatz her eher sachlich und nüchtern, Filme dagegen berühren die Menschen oft unmittelbar und emotional. Und der Umgang mit Emotionalität ist auch für uns ein zunehmend wichtiges Thema. Deswegen bringen wir uns mit dem Preis Voll politisch gern in das Filmfest Dresden ein. Die fünf für den Preis nominierten Kurzfilme sind hochaktuell und pointiert. Sie erzählen zum Beispiel Geschichten aus der Ukraine und Belarus und eröffnen uns ganz neue Sichtweisen auf das Geschehen dort, aber auch auf unsere eigene Gesellschaft.“