Beispiele, die vor allem in rechtspopulistischen Facebook-Gruppen jetzt (wieder) die Runde machen und besonders dem Konzept der Aktionen „unter falscher Flagge“ frönen:
- Die CIA und nicht Al Kaida hat am 11. September 2001 jene Flugzeuge gesteuert, die das World Trade Center in New York zerstörten. Natürlich um der Bush-Administration einen Vorwand für den Afghanistan- und den Irak-Krieg zu liefern.
- ISIS ist nur eine Marionette des Weltjudentums und die jüngsten Terroranschläge in Paris und Brüssel gehen auf das Konto des israelischen Mossad. Warum? Um die Europäer auf einen großen Krieg gegen die Araber einzuschwören.
- Die Flüchtlingswelle ist von den US-Zentralbankern und den „Neue Weltordnungs“-Juden organisiert, um die deutsche Kultur und das deutsche Volk vollends zu vernichten.
Die Reihe ließe sich endlos fortsetzen mit der vermeintlichen „Chemtrail“-Verschwörung, der „Impf-Lüge“, der „BRD GmbH“ oder den Aliens natürlich, die längst im Hintergrund über die UNO die Strippen der Weltregierung ziehen.
„Soziales Unbehagen“ und Umbrüche bereiten fruchtbaren Boden
Dass gegenwärtig solche Verschwörungs-Ideologien auf besonders fruchtbaren Boden fallen, ist für den Experten Jan Rathje von der Berliner Amadeu-Antonio-Stiftung kein Zufall: Mache sich in der Bevölkerung „großes soziales Unbehagen“ über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Missstände und Ungerechtigkeiten breit, blühen die Verschwörungs-Erzählungen, -theorien und -ideologien besonders bizarr und üppig, schätzte er auf einer Populismus-Tagung der Bundeszentrale für politische Bildung in Kassel ein. Und dies gelte ganz besonders in einer Zeit gesellschaftlicher Umbrüche.
Populismus und Verschwörungsideologien oft eng verknüpft
Zuvor hatte bereits Professor Jan-Werner Müller von der Princeton-Universität auf dieser Tagung eine starke Affinität populistischer Bewegungen zu Verschwörungstheorien postuliert. Tenor: Populisten geben oft vor, die Meinung einer „schweigenden Mehrheit“ des Volkes auszusprechen. Um zu erklären, warum diese Mehrheit über Jahre hinweg kein Gehör finde, bemühen sie oft Mutmaßungen über geheime Manipulatoren und Weltverschwörungen.
Eingeschlossen im Echo-Raum
Andererseits finden solche Weltdeutungs-Muster gerade bei Menschen großen Anklang, die sich in sogenannten „Echo-Räumen“ im Internet bewegen. Das heißt, diese Netznutzer schirmen sich gegen andere Meinungen ab und ziehen ihre Informationen vorzugsweise aus Facebook-Gruppen und Spezial-Foren, in denen ohnehin alle der selben Meinung sind – in denen ihnen also ihre eigene Ansicht wie ein bestätigendes Echo zurückschallt. Dies geht einher mit einer wachsenden Aufteilung der Gesellschaft in sich selbstbestätigende Meinungsgruppen, die kaum noch den Dialog oder die konstruktive Auseinandersetzung mit Andersdenkenden suchen.
Alte und neue Feindbilder: Finanzjuden, Nazis, Lügenpresse
Hier fungieren Verschwörungs-Ideologien nicht selten als Bindemittel: beispielsweise, um Feind und Freund zu „erkennen“. Besonders beliebte Feindbilder in Verschwörungsideologien: „die“ Juden, Nazis, Kommunisten. Faschisten, Banker, Kapitalisten, Heuschrecken, „die Politikerkaste“ oder „die Lügenpresse“. Und solche Verschwörungs-Topoi sind auch geeignet zu erklären, warum Meinungsumfragen zu ganz anderen Ergebnissen kommen als die eigene Vorstellung, was die (vermeintlich schweigende) Mehrheit des Volkes denkt: Wenn eine geheime übermächtige und weltweite Verschwörung im Gange ist, die alle Menschen knechtet und manipuliert, ist es kein Wunder, dass Meinungsumfragen gefälscht werden, dass ich selbst gescheitert bin, dass unsere Gruppe als extremistisch gebrandmarkt wird.
Jeder Fünfte glaubt an Verschwörungen
Eine Studie von Roland Imhoff und Martin Bruder von den Universitäten Köln und Konstanz aus dem Jahr 2013 hatte übrigens gezeigt, dass fast jeder fünfte Deutsche Verschwörungstheorien und -Erzählungen mindestens zuneigt. So stimmten in ihrer Umfrage etwa 17 % der Ansicht zu, dass „die meisten Menschen nicht erkennen, wie stark unser Leben durch Verschwörungen beeinflusst wird.“ 19,4 % bejahten die Vorgabe „Politiker sind Marionetten geheimer Mächte.“ Und 20,9 % schlossen sich der Meinung an, „es gibt geheime Gruppen, die die Politik stark beeinflussen.“
Mehr von der Populismus-Tagung in Kassel:
Gespenst des Populismus geht um in Europa
Schwere Demokratiekrise in Ostdeutschland
Pegida-Anhänger extrem misstrauisch gegen Parteien und Medien
Politische Bildung nur für politisch Gebildete?
Populisten agieren vor allem anti-elitär und anti-pluralistisch