Im nationalsozialistischen Deutschland wurden vor aller Augen Millionen von Menschen durch Zwangsarbeit ausgebeutet: Zivilistinnen und Zivilisten, Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge. Während der Kriegsjahre gab es rund 13,5 Millionen ausländische Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen im Deutschen Reich, 500.000 in Sachsen. Bis heute ist das Thema noch nicht komplett erforscht.
In der knapp 700 Seiten umfassenden Publikation der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung „NS-Zwangsarbeit und Kriegswirtschaft 1939-1945. Ausländereinsatz im Deutschen Reich und in Sachsen. Repatriierung – Nachkriegsprozesse – Entschädigung“ liefern die Autoren Dr. Klaus Dieter Müller und Dietmar Wendler erstmals einen detaillierten Überblick über die Rolle einzelner Betriebe in Sachsen.
Ab 1942 wurde Sachsen zum wichtigen Standort der Rüstungsindustrie. Die Massenproduktion in Flugzeug- und Autofabriken, im Bergbau und in der Stahlherstellung erhielt das NS-Regime durch Zwangsarbeit aufrecht. Auch die 1921 in Chemnitz gegründete Astra AG stieg 1939 in die Rüstungsproduktion ein und nutzte dafür während der Kriegsjahre etwa 1600 ausländische Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter aus: unter ihnen sowjetische Kriegsgefangene, KZ-Häftlinge, Zivilistinnen und Zivilisten aus der Sowjetunion und Polen und Menschen aus Frankreich, Belgien, Holland.
Dietmar Wendler: „Mit dem NS-Regime arrangierten sich die Firmenleitung und der Aufsichtsrat mehr oder weniger von Beginn an. Sicher auch deswegen konnte Astra sich trotz der Weltwirtschaftskrise und auch danach als erfolgreiches Unternehmen behaupten. In den folgenden Jahren spendete die Astra AG einen Teil ihrer Einnahmen an die NSDAP, am 1. Mai 1944 erhielt sie den Titel ‚nationalsozialistischer Musterbetrieb‘“.
„Die Astra AG produzierte als einziger Betrieb Sachsens im Warschauer Ghetto. Die im Ghetto internierten jüdischen Menschen mussten für die Chemnitzer Firma die Buchungs- und Rechenmaschinen herstellen. Dies zeigt sehr deutlich, dass die Leitung der Astra-Werke überhaupt kein Unrechts-Bewusstsein hatte. Die Haltung eines Oskar Schindler, sein Ansinnen, jüdische Menschen vor dem Tod zu retten – diese Haltung gab es hier überhaupt nicht“, so Klaus-Dieter Müller.
Im Gespräch mit Werner Rellecke (SLpB) stellen die beiden Autoren ihr Buch vor, das den aktuellen Forschungsstand und neue Quellen zum Thema erschließt.
Zeit: Mo, 05.10.2022, 17.00-18.30 Uhr
Ort: VHS „Das Tietz“, Moritzstraße 20, 09111 Chemnitz
Inhaltlicher Ansprechpartner: Werner Rellecke
Telefon: 0351 85318-41, Mail: werner.rellecke@slpb.sachsen.de
Weitere Informationen zum Buch und Interviews mit den Autoren finden Sie im SLpB-Blog: