Die Parteien im Krieg
Die vorherrschende Meinung in der deutschen Öffentlichkeit war, dass der Krieg Deutschland "von außen" aufgezwungen wurde. Selbst Kriegsskeptiker wie die Sozialdemokraten glaubten daran, dass Frankreich und Russland die Angreifer seien, immerhin hatte die Regierung in St. Petersburg als erste Macht die Generalmobilmachung verkündet. Sich dagegen zu wehren schien Pflicht eines jeden Deutschen, egal welcher politischen Richtung oder sozialen Zugehörigkeit.
Innenpolitische Konflikte zwischen den Parteien im Reichstag wurden zurückgestellt, man einigte sich im Angesicht des Krieges auf einen Burgfrieden. Dieser einte die Parteien darin, den Krieg in seiner Anfangsphase mit finanziellen Mitteln zu unterstützen. Kleinere Splittergruppen der etablierten Parteien, allen voran der Kreis um Karl Liebknecht (SPD), versuchten, gegen den Krieg zu argumentieren. 1917 wurde ein interfraktioneller Ausschuss aus Sozialdemokraten, Zentrum und anderen Abgeordneten eingesetzt, der einen Verständigungsfrieden ohne Gebietsausbreitungen forderte - ein Gros des Parlamentes folgte jedoch weiter der Linie der Obersten Heeresleitung (OHL), die alles auf einen Siegfrieden setzte. Erst angesichts der drohenden militärischen Niederlage wurde das Parlament in seinen Rechten gestärkt und musste das Vakuum, das der wilhelminische Obrigkeitsstaat hinterließ, füllen.
Der Krieg und die Wirtschaft
Der Erste Weltkrieg war ein Krieg der Massen, der alle beteiligten Staaten dazu zwang, sämtliche verfügbaren Kapazitäten auszuschöpfen. Die Effizienz der Kriegsökonomie war entscheidend, weshalb die Oberste Heeresleitung (OHL) in Deutschland die Verteilung aller Rohstoffe lenkte und die Privatwirtschaft durch eine staatliche gelenkte Planwirtschaft ersetzte.
Durch die rigorose Ausrichtung der Wirtschaft auf kriegswichtige Güter kam es in vielen, auch die Grundbedürfnisse wie Kleidung und Lebensmittel abdeckenden Industriezweigen zu Mangelerscheinungen. Schlimmer noch für die Produktionskraft war der Wegfall von männlichen Arbeitern, die in den aktiven Dienst eingezogen wurden, um die Gefallenen an der Front zu ersetzen. Ihre Rolle übernahmen zunehmend Frauen. Vor dem Hintergrund eines immer aussichtloser werdenden Krieges, des Hungerwinters 1916/17 und des Stillstands allen öffentlich-kulturellen Lebens entwickelte sich großer Unmut, der zu Streiks in den kriegswichtigen Betrieben führte.
Angesichts der Materialüberlegenheit der Entente war die Oberste Heeresleitung (OHL) gezwungen, zu handeln. Das im Dezember 1916 vorgelegte Hilfsdienstgesetz war faktisch ein Arbeitszwang für alle 16- bis 60-jährigen. Um das unpopuläre Vorhaben zu legitimieren, und die Zustimmung breiter Bevölkerungskreise zumindest zu suggerieren, sollte es vom Reichstag verabschiedet werden. Dessen Volksvertreter, allen voran Sozialdemokraten, Linksliberale und die Zentrumspartei konnten durch den unbedingten Legitimationswillen der OHL massiv auf Formulierungen und Inhalte einwirken. Das Hilfsdienstgesetz verbesserte die Stellung von Arbeitnehmervertretern und Gewerkschaften im hohen Maße. Waren Gewerkschaften zuvor lediglich geduldet, wurden sie nun den Arbeitgeberverbänden gleichgestellt und sollten mit diesen künftig die Arbeitsbeziehungen aushandeln. Was bis zu diesem Zeitpunkt seitens der Arbeitgeber als Instrument des "Umsturzes" gesehen wurde, war nach der Kapitulation des Kaiserreiches 1918 einer der wichtigsten Pfeiler in der sozialpolitischen Ordnung der Weimarer Republik.
Alltag und Heimatfront
Die Kriegsbegeisterung im August 1914 war unerwartet hoch. Vielerorts meldeten sich Freiwillige, um sich den Truppen anzuschließen und für das Kaiserreich ins Feld zu ziehen. Diese Begeisterung ebbte schnell wieder ab, Todesanzeigen häuften sich in den Tageszeitungen und bald wurde klar, dass der Krieg nicht binnen weniger Wochen zu gewinnen war. Die Zivilbevölkerung nahe der Westfront bekam dies schnell zu spüren - schon 1914 wurden sowohl Freiburg als auch Karlsruhe von feindlicher Artillerie beschossen, Dutzende Menschen verloren ihr Leben.
Die ideologisch gewünschte enge Verbindung zwischen Front und Heimat mit totaler Mobilisierung und Ausrichtung auf die Kriegswirtschaft förderte die Kriegsmüdigkeit und destabilisierte die politische Lage im Reich. Die katastrophale Versorgungslage und die Preissteigerungen zermürbten die Bevölkerung. Streiks waren die Folge, die Produktion sackte ab. 700.000 Zivilisten starben während des Krieges an Unterernährung, Millionen litten noch Jahre später an den Spätfolgen. Die daraus entstandene Unzufriedenheit bereitete den Boden für den Umsturz der politischen Ordnung im November 1918.