Das Wichtigste zuerst, kurz zusammengefasst:
- „Das politische Konzept der NPD ist auf die Beseitigung der freiheitlich demokratischen Grundordnung gerichtet. […}“
- „Der von der NPD vertretene Volksbegriff verletzt die Menschenwürde. […]“
- Aber: „Ein Erreichen der verfassungswidrigen Ziele der NPD mit parlamentarischen oder außerparlamentarischen Mitteln erscheint ausgeschlossen.
- Urteil: verfassungsfeindlich: ja | Verboten: nein
Sieg oder Niederlage: Wie wird das Urteil bewertet?
Die ersten Reaktionen zum Urteil fallen unterschiedlich aus und verweisen auf verschiedene Aspekte. Die NPD selbst deklariert das Urteil des Bundesverfassungsgerichts erwartungsgemäß als „Sieg“ und sich selbst als „zweifacher Verbotsverfahrenssieger“ und kündigt an „Ätsch lieber Bundesrat, an eure langen Gesichter werden wir uns noch lange erinnern“ und „Ab heute sind wir wieder voll da.“
Der Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) beurteilt das Urteil diplomatisch. Das Gericht habe die Grenzen für ein Parteiverbot klar gezogen und sehr deutlich gemacht, dass das politische Konzept der NPD die Menschenwürde missachte und mit dem Demokratieprinzip unvereinbar sei. Er betonte jedoch: "Die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus kann uns niemand abnehmen." Viele SPD-Mitglieder bewerten das Urteil jedoch als Niederlage und als falsches Zeichen „in einer Zeit des erwachenden Rechtspopulismus und Extremismus in Europa.“
Das Internationale Auschwitz Komitee kritisierte das Scheitern des NPD-Verbotsverfahrens mit scharfen Worten. Vizepräsident Christoph Heubner sprach von einem "tragischen Tag für die wehrhafte Demokratie". Das Urteil sei für die Überlebenden des Holocaust "eine empörende und erschreckend realitätsferne Entscheidung". Das Urteil sende auch ein "fatales Signal nach Europa, wo Rechtsextreme und Rechtspopulisten längst neue Schnittmengen miteinander finden und ständig versuchen, Angst und Unsicherheit von Menschen in Hass und Aggression zu verwandeln", so Heubner.
Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer hat das Scheitern des NPD-Verbotsverfahren bedauert: "Ungeachtet der Tatsache, dass die NPD in keinem Landtag mehr vertreten ist, stellt sie als Partei mit ihren verfassungsfeindlichen und rechtsradikalen Bestrebungen eine Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung dar." Es sei aber "erfreulich", dass das Verfassungsgericht bestätigt habe, dass das politische Konzept der NPD auf die Beseitigung der bestehenden freiheitlich-demokratischen Grundordnung gerichtet sei. Die bayerische Staatsregierung werde nicht nachlassen, "diese verfassungsfeindlichen Bestrebungen unterhalb eines Parteiverbots mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu bekämpfen".
Die AfD im Schweriner Landtag sieht im gescheiterten NPD-Verbotsverfahren eine Blamage für den Mecklenburgischen Innenminister Lorenz Caffier(CDU), der das Verbotsverfahren maßgeblich vorangetrieben hätte. Der Fraktionschef der AfD in Schwerin, Leif-Erik Holm bezeichnete das NPD-Verbotsverfahren insgesamt als „erwiesene Verschwendung von Steuergeld“.
Verfassungsfeindlich ja! – Verboten nein? Das Urteil
Die NPD ist nun höchstrichterlich als verfassungsfeindlich beschrieben aber verboten wird sie nicht. Das klingt im ersten Moment widersinnig. Doch die Entscheidung der Richter wird ausführlich begründet:
In der Urteilsbegründung liest sich das wie folgt: „Das politische Konzept der NPD ist auf die Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerichtet.“ Und weiter „Der von der NPD vertretene Volksbegriff verletzt die Menschenwürde. Er negiert den sich hieraus ergebenden Achtungsanspruch der Person und führt zur Verweigerung elementarer Rechtsgleichheit für alle, die nicht der ethnisch definierten „Volksgemeinschaft“ in ihrem Sinne angehören. Das Politikkonzept der NPD ist auf die Ausgrenzung, Verächtlichmachung und weitgehende Rechtlosstellung von gesellschaftlichen Gruppen (Ausländern, Migranten, religiösen und sonstigen Minderheiten) gerichtet.“ und „Darüber hinaus missachtet die NPD die freiheitliche demokratische Grundordnung auch mit Blick auf das Demokratieprinzip. In einem durch die „Einheit von Volk und Staat“ geprägten Nationalstaat im Sinne der NPD ist für eine Beteiligung ethnischer Nichtdeutscher an der politischen Willensbildung grundsätzlich kein Raum.“
ABER „Einem Verbot der NPD steht aber entgegen, dass das Tatbestandsmerkmal des „Darauf Ausgehens“ im Sinne von Art. 21 Abs. 2 Satz 1 GG nicht erfüllt ist. […] Es fehlt jedoch an konkreten Anhaltspunkten von Gewicht, die eine Durchsetzung der von ihr verfolgten verfassungsfeindlichen Ziele möglich erscheinen lassen. Weder steht eine erfolgreiche Durchsetzung dieser Ziele im Rahmen der Beteiligung am Prozess der politischen Willensbildung in Aussicht (aa), noch ist der Versuch einer Erreichung dieser Ziele durch eine der NPD zurechenbare Beeinträchtigung der Freiheit der politischen Willensbildung in hinreichendem Umfang feststellbar (bb). Kurz gesagt: „Ein Erreichen der verfassungswidrigen Ziele der NPD mit parlamentarischen oder außerparlamentarischen demokratischen Mitteln erscheint ausgeschlossen.“
Was bedeutet das Urteil für die Zukunft?
Klar ist: Eine verfassungsfeindliche Gesinnung allein reicht nicht für ein Parteienverbot in Deutschland aus. Hier waren die Richter des Bundesverfassungsgerichts deutlich. Dass Urteil jedoch ist mitnichten ein Gütesiegel für die NPD. Im Gegenteil. So deutlich wie heute, war das Bundesverfassungsgericht selten. Die NPD wirkt mit ihren Zielen, ihrer Wortwahl und ihren Taten auf die Abschaffung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung hin und ist menschenverachtend und „weist eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus auf.“
Gerade die Deutlichkeit der Verfassungsfeindlichkeit könnte für die NPD Konsequenzen haben. Das Gericht hatte angedeutet, dass wenn man die Verfassung ändern würde, die Parteienfinanzierung entsprechend entzogen werden könnte.
Doch wird auch deutlich vor einer Verharmlosung der NPD gewarnt. Der Direktor der Dokumentationsstelle für Menschenrechte, Grundrechte und Demokratie, Matthias Quendt betonte in der ARD, die NPD sei zwar derzeit desolat und nicht in der Lage großflächig ihre Ziele umzusetzen, dennoch habe sie schon mehrere Höhen und Tiefen erlebt und ziele ohnehin eher auf die Erhaltung einer nationalsozialistischen Wahlalternative ab, als auf Mehrheiten. Darüber hinaus sei das Feld im rechtsextremen Bereich unübersichtlich geworden und habe sich verlagert. Bürgerwehren, die Identitäre Bewegung, völkische Siedler, sogenannte Reichsbürger und die Patriotische Plattform innerhalb der AfD seien mittlerweile Sammelbecken rechtsextrem eingestellter Personen geworden. Darüber hinaus sind die Zustimmungswerte für die NPD in manchen Teilen Ostdeutschlands vergleichsweise hoch und eben nicht irrelevant.
Die NPD verfügt derzeit noch über 338 kommunale Mandate und einen Vertreter im Europäischen Parlament und stellt damit auf kommunaler Ebene derzeit weniger als 0,15 Prozent der verfügbaren Mandate in Deutschland. Zweidrittel der kommunalen NPD-Mandate entfallen jedoch auf die neuen Bundesländer. Mit 80 kommunalen NPD-Mandaten ist der Freistaat Sachsen, vor Thüringen (58) und Mecklenburg-Vorpommern (49) eine Hochburg der verfassungsfeindlichen Partei.