Erklären, ermutigen und Vorbilder zeigen

„Wir können das! Frauen in die Kommunalpolitik“ heißt die Veranstaltungsreihe, welche in Kooperation des Landesfrauenrats Sachsen e. V. und der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung entstand.

 

Die Veranstaltungsreihe orientierte sich am 7-Punkte-Plan der „Fachkommission zur gleichberechtigten Teilhabe von Frauen an Wahlämtern“ vom Juni 2022. Dabei geht es nicht nur um Unterstützung von Frauen zur „reinen“ Erhöhung des weiblichen Anteils in Parlamenten und Räten auf Landes- und Kommunalebene. Mindestens ebenso wichtig sind die Veränderungen von Rahmenbedingungen und Strukturen in Parlamenten, Gremien und Parteien, damit Familie, Ehrenamt (denn darum handelt es sich bei der Übernahme eines solchen Amtes in erster Linie) und Beruf (besser) miteinander in Einklang gebracht werden können.

Aber warum ist es überhaupt so wichtig, den Fokus auf die verstärkte Beteiligung von Frauen zu richten – gelten die genannten Bedingungen nicht für alle Menschen in gleichem Maße? Und stehen nicht grundsätzlich Interesse und „Spaß an der Sache“ bei der Annahme eines solchen Ehrenamtes im Vordergrund?

„Frauen und Männer sind gleichberechtigt“

Bei der Beantwortung einer solchen Frage hilft – wie bei so Vielem anderen auch – ein Blick in die Geschichte. „Frauen und Männer sind gleichberechtigt“ – so lautet Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland. Der Parlamentarische Rat, der das Grundgesetz 1949 beschloss, setzte damit Maßstäbe. Formuliert wurde seinerzeit jedoch ein Programm, nicht eine „Aussage über die Realität“. Dass es zu dieser Formulierung überhaupt kam, ist vier Frauen im Parlamentarischen Rat zu verdanken. Frieda Nadig (SPD), Elisabeth Selbert (SPD), Helene Weber (CDU) und Helene Wessel (Zentrumspartei) gelten daher zu Recht als „Mütter des Grundgesetzes“. Auch damals mussten sie sich mit der Rolle der Frau in Heim und Familie auseinandersetzen, während Politik und Öffentlichkeit „Männersache“ waren.

Nicht viel anders in Bezug auf die weibliche Beteiligung am Verfassungswesen sah es bei der ersten Verfassung der DDR aus. Sie geht zurück auf die drei „Deutschen Volkskongresse“ zwischen 1947 und 1949, deren Delegierte überwiegend von der SED ausgewählt wurden. Der Verfassungsausschuss zählte bei 31 Mitgliedern nur zwei Frauen – Hilde Benjamin (SED) und Charlotte Bahr (CDU) – in seinen Reihen. Aber auch hier wurde in Artikel 7 Absatz 1 formuliert: „Mann und Frau sind gleichberechtigt“. Hintergrund dieser Formulierung war nicht zuletzt die Berufung auf gleiche Pflichten, insbesondere im Hinblick auf die notwendige Arbeitskraft der Frauen.

In beiden deutschen Institutionen, welche die Nachkriegsverfassungen vorbereiteten und beschlossen, war 30 Jahre nach Einführung des aktiven und passiven Wahlrechtes für Frauen nur eine verschwindend geringe Zahl weiblicher Beteiligter tatsächlich vertreten. Ihre harten Kämpfe beispielsweise für den Schutz von Ehe und Familie und für das Elternrecht (Artikel 6 und 7 des Grundgesetzes) beschrieb Helene Weber folgendermaßen: „Die Frau muss in der Politik stehen und muss eine politische Verantwortung haben“. Auch ihre parlamentarischen Kolleginnen sahen Frauen in der Pflicht, sich bewusst in staatsbürgerliche Aufgaben einzumischen (Helene Wessel), zumal sie die überwiegende Zahl der Staatsbürger stellten, deren Wille sich entsprechend widerspiegeln müsse (Frieda Nadig).

Mehr Frauen, wenig Macht

Der erste sächsische Nachkriegslandtag, der sich 1946 zusammenfand, wies 28 Prozent weibliche Abgeordnete auf – verglichen mit allen anderen Nachkriegslandtagen lag er damit an der Spitze. Sowohl in personeller als auch in substantieller Repräsentation von Frauen war dieser sächsische Nachkriegslandtag seiner Zeit in Vielem voraus. Allerdings wurden die politischen Führungspositionen nicht weiblich besetzt – es gab keine Fraktionschefinnen, keine Frauen im Landtagspräsidium, keine weibliche Spitze bei Fachausschüssen. Zudem lag der Redeanteil der weiblichen Landtagsabgeordneten unter denjenigen der männlichen Kollegen und sprachen vor allem zu vermeintlich typischen Frauenthemen wie Erziehung und Familie. Dabei sprachen Frauen aus ihrer weiblichen Erfahrung heraus, während Männer als „Fachexperten“ auch in diesen Themenfeldern auftraten.

Die Gründe für derartige Ausschlüsse von Frauen aus Führungspositionen lagen zum einen im Verständnis parlamentarischer Macht, die in erster Linie als männlich interpretiert wurde und sich dabei stark am Parlamentarismus der Weimarer Republik orientierte. Zum anderen richtete sich die Konsenspolitik im Parteienblock der Nationalen Front stark an männlichen Idealen aus; da Frauen in den Gremienspitzen nicht vertreten waren, kamen sie eben entsprechend nicht vor. Demzufolge bestimmten Frauen entscheidende Themen kaum mit und hatten nur geringen Einfluss auf Entscheidungen. Manche dieser Befunde kommt uns auch heute noch bekannt vor.

Strukturelle Barrieren und Geschlechterstereotype behindern

Fazit: Fehlt die weibliche Hälfte unserer Gesellschaft in den Parlamenten, dann kann die Lebensrealität nicht vollständig abgebildet werden. Ursachen für die mangelnde Präsenz von Frauen in der Politik liegen immer noch in fortbestehenden strukturellen Barrieren und Geschlechterstereotypen, in „gläsernen Decken“ die – geprägt von starken Männernetzwerken – Frauen weniger fördern, wenn nicht sogar ganz von Kandidaturen abhalten. Arbeitsstrukturen im politischen Ehrenamt wie abendliche Sitzungen oder Parteiarbeit ohne Kinderbetreuung sind immer noch nicht auf unbezahlte Sorgearbeit ausgerichtet, die überwiegend Frauen leisten. Zudem spielen nach wie vor auch Stereotype eine Rolle, die Frauen das Interesse an Politik und Leitungspositionen absprechen. Umso wichtiger sind Reihen wie „Frauen in die Kommunalpolitik“, die erklären, ermutigen und Vorbilder präsentieren. Schließlich brachte es Elisabeth Selbert 1981 auf den Punkt: „Die mangelnde Heranziehung von Frauen zu öffentlichen Ämtern und ihre geringe Beteiligung in den Parlamenten ist doch schlicht Verfassungsbruch in Permanenz.“

Unsere Autorin Dr. Alexandra-Kathrin Stanislaw-Kemenah ist die Gleichstellungsbeauftragte der Landeshauptstadt Dresden.

Weitere Informationen zum Thema und Möglichkeiten zur Diskussion bietet die Veranstaltung „Wir können das! Frauen in die Kommunalpolitik“ am 26. Januar um 19:00 Uhr im Rathaus Meißen

Im neuen Sammelband "Frauen in Sachsen. Politische Partizipation in Geschichte und Gegenwart" präsentieren namhafte Autorinnen und Autoren Beiträge zum langen Ringen um die Gleichberechtigung von Frauen in Sachsen. Der Schwerpunkt liegt auf der Zeit vom ausgehenden 19. bis zum Ende des 20. Jahrhunderts.