Ich werde akkreditiert
Das Wichtigste zuerst. Die Akkreditierung. Manchmal gibt es hochkomplizierte Worte für recht einfache Angelegenheiten: Anmeldung und Identitätsprüfung. Das sah so aus, dass ich einen Zettel ausfüllen musste, der abfragte wer ich bin, woher ich komme, was ich im Europa Parlament eigentlich will und auf wessen Einladung ich da bin. In meinem Fall war es das Büro des sächsischen MdEP Winkler.
Das Verbindungsbüro arbeitet mit allen sächsischen MdEPs zusammen. Manchmal entscheidet einfach der Zufall, wer die Einladung zu einer öffentlichen Anhörung an das SBV weiterleitet. In der Regel sind es immer die Abgeordneten, die auch Mitglied des Fachausschusses sind, in denen die Anhörung statt findet.
Mein Personalausweis und der Anmeldezettel wurden noch schnell gescannt und kopiert. Ich bekam einen tollen, bunten Besucher-Aufkleber, den ich mir gleich ans Jackett heftete. Sichtlich stolz sollte ich ihn den ganzen Tag lang tragen.
Und dann: Rolltreppe hoch, zweimal links, einmal rechts, noch mal Rolltreppe, dann in den Rundgang, dort links, durch alle anderen durchschlängelnd nach rechts und schon war ich da. Im Raum 2Q2 des Jozef-Antall-Gebäudes.
Gelernt für das Leben
Vorsichtshalber setzte ich mich gleich an einen der wenigen freien Plätze für Besucher und stellte schon einmal Schreibbereitschaft her. Und dann hieß es: warten. Zeit genug, sich einmal richtig umzusehen. Gleich neben mir befanden sich die Kabinen für die Übersetzer. Diese füllten sich nach und nach…
Hier sieht man ganz praktisch, dass es sich lohnt, Sprachen zu lernen! Daher möchte ich Sie und Euch an dieser Stelle auch dazu ermutigen. Es ist nämlich ziemlich interessant, die Pausengespräche der anderen mitzuverfolgen und das eine oder andere Mal zu lauschen. Neugierig darf man immer sein – zumindest ein bisschen. Wie sagte schon der Kleine Prinz in Antoine de Saint-Exupérys gleichnamigen Buch: „J’ai des amis a découvrir et beaucoup des choses a connaître.“
Sprachen helfen, Bekanntschaften zu schließen und neue Dinge zu erfahren, Wissen zu erwerben. Warum sich also nicht einmal mit einer anderen Sprache beschäftigen?
Zumindest kann ich sagen, dass mir hier sehr oft und auch gern geholfen wird, wenn die französische Grammatik mal wieder nicht richtig sitzen will oder ich gehörig kauderwelsche. Meistens werde ich dann angelächelt und schon ist alles gar nicht mehr so schlimm. Manchmal kommt dann noch die Frage nach meiner Herkunft, die sich der Fragende dann aber schon meistens selbst anhand meines deutschen Akzentes selbst beantwortet… Und: nicht jeder, der in Brüssel lebt oder arbeitet, spricht automatisch Französisch oder Niederländisch. Nicht jeder ist Muttersprachler. Meine Erfahrung: es stets in der Sprache des anderen zu versuchen, öffnet so manche Tür und auch so manches Herz.
Unbequeme Kopfhörer und versteckte Kernaussagen
Aber zurück zur ersten Ausschuss-Sitzung. Kaum hatte ich die Kopfhörer auf, eröffnete die Ausschussvorsitzende die Sitzung und eine helle Frauenstimme übersetzte mir von Italienisch ins Deutsche.
Irgendwann wurde die Stimme dunkler – Wechsel auf der Bank der Dolmetscher. So ganz habe ich das System nicht verstanden, aber ich vermute, dass jeder der 3-4 Übersetzer pro Kabine in etwa 15 Minuten lang übersetzt und man sich danach abwechselt. Übersetzerin oder Übersetzer in Kommission oder Parlament zu sein, ist sicherlich sehr anstrengend. Wie gesagt, es wird simultan übersetzt, also zeitgleich. Es gibt natürlich eine Verzögerung von wenigen Sekunden, und zwar immer dann, wenn ein anderer Abgeordneter das Wort erteilt bekommt.
Also, Stift gezückt und das Wesentliche notiert…. das war gar nicht so einfach. Das Wesentliche ist leider nicht immer das Augenscheinliche. Oft musste ich erst einmal lange zuhören, bis ich die Kernaussage verstand. In der zweiten Ausschuss-Sitzung lief es etwas besser, denn die Ausschuss-Vorsitzende ist eine deutsche Angeordnete. Zumindest blieb mir das Aufsetzen der dann doch mittlerweile unbequemen Kopfhörer die meiste Zeit erspart.
Nach der ersten Ausschuss-Sitzung klingelten mir die Ohren und ich war hochgradig matsche im Kopf. Fein. Der ideale Zeitpunkt für eine Pause, die ich in einem der Parlament-Restaurants bei Suppe und Salat und später dann telefonierend verbrachte.
Zum Abend: Minister und gutes Essen
Neben mir am Nachbartisch unterhielten sich Praktikanten über eine Veranstaltung am Abend zuvor. Endlich, so einer, hätte er sich mal wieder richtig durchfuttern können. Praktikanten haben es wirklich nicht leicht in Brüssel. Exorbitante Mietpreise und die Kosten für Lebensmittel liegen auch deutlich über dem, was wir z. B. in Deutschland bezahlen.
Ja, meinte sein Gesprächspartner, das Essen sei ’Hammer’ gewesen, aber einmal z. B. den Umweltminister des eigenen Landes oder den eigenen Abgeordneten zu treffen… das wäre ja auch nicht so schlecht.
Stimmt. Denn die Abgeordneten sind so, wie wir alle anderen auch: in Vielfalt geeint. Und schlecht ist das wahrlich nicht.
Tot ziens et à la prochaine!