Israel und die Israelis besser zu verstehen ist gerade für uns Deutsche ein wichtiges Anliegen. Die Schatten der Shoah, die Gräueltaten der Nazis an über 6 Millionen europäischer Juden, kommen vielen von uns sofort in Erinnerung, wenn wir an das kleine Land im Nahen Osten denken. Doch Israel ist weit mehr als der Holocaust oder die Erinnerung daran. Seit der Staatsgründung im Jahr 1948 können alle Gäste die überaus dynamische Entwicklung dieses „Mosaiks der Weltreligionen“ vor Ort verfolgen. Wie das Land tickt, wie seine Bewohner leben, welche Hoffnungen und Wünsche sie für ihre Zukunft sehen sind nur einige Fragen, die sich über 20 interessierte Bürgerinnen und Bürger aus dem Freistaat Sachsen bei der Bildungsreise stellen. Dieses Reisetagebuch soll Ihnen einen kleinen Einblick in die Erlebnisse und Begegnungen der Reisegruppe gewähren.
Die ersten Tage in Tel Aviv
In Israel wartete er auf uns mit einem echten Highlight: Itzik Shani – israelischer Reiseleiter der SlpB-Israelreisen seit über 20 Jahren – feierte am Tag unserer Landung seinen 70. Geburtstag! Sein rundes Jubiläum hielt ihn aber keinesfalls davon ab, uns den phantastischen Ausblick auf Tel Aviv von der alten Hafenstadt Jaffa zu zeigen. Der Anblick der pulsierenden Hauptstadt Israels war für uns ein angenehmer Willkommensgruß nach dem kräftezehrenden Flug. Bei einem guten Glas Wein und leckerem israelischen Gebäck stießen wir auf das Wohl Itziks an.
Der Blick auf die Skyline von Tel Aviv oder der Spaziergang entlang der berühmten Strandpromenade weckt bei uns nicht unbedingt Assoziationen an den Nahen Osten. Die inoffizielle Hauptstadt Israels könnte auch jede andere Metropole in den USA oder Europa sein. Wir finden den westlichen Lebensstil überall im Straßenbild, in den Restaurants und Bars oder dem geschäftlichen Treiben in der Downtown. Auf den ersten Blick scheint es keinerlei Probleme oder Sorgen zu geben. Aber der Schein trügt. Wie sehr das kleine Land von den Bedrohungen in der arabischen Nachbarschaft gefährdet ist, erzählte uns Gad Shimron, ehemaliger Mossad-Agent, der heute als freiberuflicher Journalist und Schriftsteller arbeitet. In seinem fundierten Vortrag machte er uns auf die immensen Gefahren aufmerksam, mit der das kleine Land konfrontiert ist. Israel sei für ihn wie die „Villa im Dschungel“ – umgeben von feindlich gesinnten Mächten, die alle Israelis lieber heute als morgen in das offene Meer treiben wollen. Vieles was uns Außenstehenden in der ein oder anderen Situation vielleicht unverständlich vorkommen mag, relativiert sich, wenn man mit Israelis über deren persönliche Situation spricht.
Shimron betonte, dass nur ein konsequentes Handeln das Überleben des jüdischen Staates sichere: „Israel kann es sich nicht erlauben, einen Krieg zu verlieren.“ Seiner Meinung nach vereine die umgebenden arabischen Länder nur der Hass auf Israel. So sei deren Unterstützung für die Palästinenser und deren Autonomiebewegung sehr ambivalent. Den offiziellen Solidaritätsbekundungen stünden kaum echte Wirtschaftshilfen gegenüber. Nichts hindere die finanzstarken Ölstaaten daran, den kleinen Gaza-Streifen und das Westjordanland zum „Singapur des Nahen Ostens“ zu entwickeln. Die Mittel seien laut Shimron durchaus vorhanden, allein es fehlt der Wille dazu. Dabei gab er unumwunden zu, dass auch Israel „kein Schutzengel“ sei. Die ein oder andere militärische Reaktion könne und müsse durchaus kritisch hinterfragt werden. Auch gebe es in den eigenen Reihen nicht wenige Extremisten, die jegliches Nebeneinander mit den arabischen Nachbarn ablehnen.
Für die Zukunft bleibt Shimron dennoch optimistisch. Auf Dauer haben vor allem die jungen Araber und Israelis keinerlei Ambitionen auf eine Kultur des Hasses. Der Einfluss des religiösen Fundamentalismus werde sich im Nahen Osten langfristig nicht durchsetzen. Vor nicht allzu langer Zeit war insbesondere in den muslimisch geprägten Ländern progressives Denken durchaus verbreitet. Ein befreundeter arabischer Kollege sagte ihm dazu einmal: „Früher hatten wir drinnen gebetet und draußen getrunken. Heute trinken wir drinnen und beten draußen.“ Seiner Meinung nach wird sich dieses Verhältnis auch in diesen Staaten wieder drehen.