Schulvernetzungstagung im Superwahljahr 2024

Lehrerinnen und Lehrer an sächsischen Schulen stehen angesichts der 2024 in Sachsen stattfindenden Landtagswahl, den Kommunal- und Gemeinderatswahlen sowie der Europawahl vor vielen Fragen: Wie lässt sich das Thema Wahlen im Unterricht umsetzen? Welche Rolle kann Schule hier grundsätzlich einnehmen? „Demokratie ist Entscheidung: Das Wahljahr 2024“ war Titel der 5. Vernetzungstagung „Schule im Dialog Sachsen“ der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung (SLpB), die am 01.02.24 in Dresden stattfand.

Anspannung und Nervosität

Auch an Schulen ist die Lage mit Blick auf politische Bildung nicht einfacher geworden – eher im Gegenteil. Die jüngst veröffentlichten Zahlen des Sachsen-Monitors beschreiben eindrucksvoll: Die gesellschaftliche Stimmung ist mindestens angespannt, das Vertrauen in die demokratischen Institutionen in den letzten Jahren weiter gesunken.

Von einer gewissen „Anspannung und Nervosität“ sprach dann auch der Direktor der Landeszentrale für politische Bildung (SLpB), Roland Löffler, in seinen einleitenden Worten zum fünften Vernetzungstag „Schule im Dialog Sachsen“. Rund 80 Teilnehmende aus dem schulischen wie auch dem außerschulischen Kontext hatten sich am 1. Februar in der Landeszentrale eingefunden, um aktuelle Fragen zum Umgang mit dem Thema Wahlen in Schule zu diskutieren.

Die gute Nachricht: Politische Bildung darf viel mehr, als mancher denkt. Denn sie soll zwar in erster Linie bei der Entscheidungsfindung unterstützen und sich am Beutelsbacher Konsens orientieren, sie darf aber auch Stellung beziehen, wenn sie sich an demokratischen Werten orientiert.

„Die Gegner der Demokratie verstehen es sehr gut, sich hinter demokratischen Begriffen zu verstecken“, erläuterte Direktor Löffler dann auch in seinen Begrüßungsworten die aktuell wohl größte Herausforderung. Um gleich darauf hinzuweisen, dass aktuell das Wichtigste sei, Mut und eben keine Angst zu haben: „Denn das bedeutet auch, anderen Kraft zu geben und Mut zu machen. Resilienz entsteht durch Auseinandersetzung“, so Löffler.

Parteiprogramme analysieren reicht nicht mehr

Schulische und außerschulische Partner in Kontakt und ins Gespräch zu bringen, das war das Ziel des Vernetzungstages. Und das gelang durch Diskussionen und Austausch in Themenrunden, aber auch den Kaffeegesprächen zwischendurch. Die einführende Podiumsdiskussion ging der Frage nach, was politische Bildung im Wahljahr 2024 darf und vielleicht auch muss. Daran anschließend boten Themenräume Raum für aktuelle Fragen.

In der ersten Gesprächsrunde tauschten sich die vier Podiumsgäste – Ralf Seifert vom Sächsischen Staatsministerium für Kultus, Felicitas Koch von der Sächsischen Jugendstiftung, Felix Kollender, Fachleiter Gesellschaftswissenschaften am Pestalozzi-Gymnasium Heidenau, und Eva Schwarz von der Amadeu-Antonio-Stiftung – mit dem Publikum darüber aus, wo die Grenzen der politischen Bildung liegen.

Denn demokratiefeindliche Parteien erklären ihre grundgesetzfeindlichen Einstellungen eher selten über das Parteiprogramm. Umso wichtiger sei es – unter Berücksichtigung des Überwältigungsverbots – die Schülerinnen und Schüler zu ertüchtigen, sich eine eigene Meinung zu bilden.

„Man sollte deswegen nicht nur Parteiprogramme auswerten“, meinte Fachlehrer Kollender. Er schlug vor, auch Meldungen und Meinungen aus sozialen Netzwerken wie TikTok oder sogar den Verfassungsschutzbericht in den Unterricht einzubeziehen, um gemeinsam mit den Schülern und Schülerinnen ein realistisches Bild der aktuellen Parteienlandschaft zu erarbeiten.

Demokratie in der Minderheit

In der Diskussion und in den Themenräumen ging es aber auch um ganz praktische Fragen – etwa, wie es im Rahmen schulischer Angebote um den Einbezug von Vertreterinnen und Vertretern der Parteien steht. Eine Lehrerin berichtete, dass sich beim Landtagsbesuch fast ausschließlich die AfD-Vertreterinnen und -Vertreter den Gesprächen mit den Schülerinnen und Schülern gestellt hätten – die Klasse sei fassungslos über die Ignoranz der anderen Parteien gewesen.

Auf eine zunehmend schwierige Herausforderung machte die Lehrerin eines Berufsschulzentrums im ländlichen Raum aufmerksam: Als Demokratin fühle sie sich inzwischen im Grunde „immer in der Minderheit, wenn ich eine Klasse betrete“, sagte sie – und forderte mehr Zeit für politische Bildung im Unterricht insgesamt.

Wie können wir Rechtspopulismus und Extremismus an Schulen begegnen?

In den drei Themenräumen der Tagung ging es um „Wahlen in Schule und Unterricht: Möglichkeiten und Herausforderungen“, um den Umgang mit Extremismus und Rechtspopulismus an Schulen sowie um das Thema „Schülerinnen und Schüler stärken: Peerangebote in Sachsen“. Geleitet wurde die Themenräume gemeinsam mit Trägern der politischen Bildung in Sachsen: u.a. mit der Aktion-Zivilcourage e.V., der Amadeu-Antonio-Stiftung und der Sächsischen Jugendstiftung.

Es kamen auch so schwierige Fragen zur Sprache wie „Was tun, wenn ein Schüler oder eine Schülerin den Hitlergruß zeigt?“ oder „Wie geht man damit um, wenn ein Lehrer selbst rechtsextreme Positionen vertritt?“

Zur ersten Frage kann man festhalten: Es gibt eine Meldekette, Schulleitung und Eltern müssen informiert werden. Hilfreich kann auch der Einsatz von Präventionsangeboten etwa der Polizei oder Gefährderansprache sein, berichteten andere. Oder eben der Einsatz außerschulischer Partner. Die Beantwortung der zweiten Frage ist schon kniffeliger: Lehrerinnen und Lehrer haben einen Eid auf die Verfassung geleistet, kam der deutliche Hinweis.

Wie und wo bekommen Lehrkräfte Unterstützung?

Viel verwiesen wurde im Rahmen der Gespräche auch auf die Orientierungsfunktionen des Handlungskonzeptes „W wie Werte“ des Kultusministeriums sowie den Schulleiterbrief, den der Kultusminister Anfang Januar verschickt hatte – und der offenkundig noch nicht bei allen Politik-Lehrern und Lehrerinnen angekommen war. Beide, das Werte-Programm, das aktuell überarbeitet wird, wie auch der Schulleiterbrief sollen Lehrkräfte und Schulen Orientierung geben, mit autoritären und antidemokratischen Äußerungen und Vorkommnissen in der Schule umzugehen.

In den Themenräumen diskutiert wurde außerdem, wie soziale Netzwerke die Gesellschaft prägen und die politische Wahrnehmung der Jugendlichen beeinflussen. Auch drohende Szenarien für das Bildungssystem, sollte eine demokratiefeindliche Partei die Regierung übernehmen, waren Thema. Im von Eva Schwarz von der Amadeu-Antonio-Stiftung geleiteten Raum ging es um Strategien gegen Hass und Radikalisierung in den Sozialen Medien. 

„TikTok hat Funktionsweisen, die eine fortschreitende Radikalisierung unterstützen“, erklärt Eva Schwarz. „Je länger ich ein Video anschaue, desto eher spielt mir der Algorithmus ähnlichen Inhalt in meinen Feed. Der Algorithmus funktioniert einerseits über Inhalte, andererseits über Akteurinnen und Akteure. Wenn ich mir also beispielsweise demokratiefeindlichen Kontext bei TikTok anschaue, werden mir tendenziell immer mehr solche Inhalte in meinem Feed angezeigt. Das heißt, ich bekomme immer nur meine eigene Meinung gespiegelt. Kontroversität findet in solchen Netzwerken tendenziell wenig statt.“

Blick nach vorn

Einen positiveren Blick nach vorn brachte das Fazit: Die Zusammenarbeit mit außerschulischen Partnern kann für Schulen große Mehrwerte bringen. Vereine, Institutionen und Stiftungen bieten Projekte zu konkreten Themen wie demokratischer Teilhabe, Medienkonsum, Migration, Geschichte oder dem Umgang mit Extremismus an - und ermöglichen den Schülerinnen und Schülern Lernerfahrungen, die im klassischen Schulalltag nur schwer und mit viel Aufwand zu erreichen sind. Es gilt allerdings für Lehrerinnen und Lehrer, die, je nach Zielsetzung, richtige außerschulische Organisation zur Zusammenarbeit zu finden. Umso wichtiger ist die Vernetzung schulischer und außerschulischer Akteure, wie sie im Rahmen der Veranstaltung erfolgte.

Im zweiten Teil unseres Blogbeitrags finden Sie Stimmen und Statements von Teilnehmenden zur Tagung.