Es ist diesmal ein Statement und keine Frage, die dem Barcamp voraus geht: Unter dem Motto „Vielfalt.ist.Chance.“ diskutierten am Donnerstag sechs Stunden lang rund 90 Teilnehmende Fragen rund um Diversität und Bildung. „Es ist kein Geheimnis und in unserer Runde wahrscheinlich auch Konsens: Vielfalt ist ein Kennzeichen moderner Gesellschaften, der modernen deutschen und sächsischen Gesellschaft – und sie wird es auch bleiben“, sagte SLpB-Direktor Roland Löffler in seinem Grußwort zum Start des Barcamps. „Die Welt ändert sich. Allerdings scheint es nicht immer klar zu sein, ob unsere Gesellschaft bereits verstanden oder gar verinnerlicht hat, dass es eine homogene deutsche Gesellschaft so nicht mehr gibt.“
Dass Vielfalt eine Chance ist, den Blick weitet und bereichert, steht an diesem Tag gar nicht erst zur Debatte; zwar könne sie „auch eine Herausforderung sein, manchmal sogar eine Last“, wenn es um die Neuverhandlung von bisherigen Selbstverständlichkeiten gehe, so Löffler. Doch sei es Aufgabe der Gesamtgesellschaft, gerade auch der politischen Bildung, sich dieser Herausforderung zu stellen: Vielfalt angemessen und sachlich darzustellen, ohne kontroverse Fragen auszuklammern, die Frage nach überstrapazierten Stundenplänen zu stellen, dem Wegfallen alter Inhalte bis hin zum gemeinsamen Entwickeln einer ausbalancierten Anerkennungspolitik und der Neuaushandlung von Selbstverständlichkeiten. „Für all diese Fragen braucht es eine vielfältige didaktische Reflexion bisheriger Lern- und Bildungsinhalte einerseits, aber andererseits auch die Bereitschaft zur Anpassung von institutionellen Strukturen.“ Und auch Vorbilder und Brückenbauer würden gebraucht.
Eingestimmt mit diesen Worten sollte das Statement „Vielfalt ist Chance“ an diesem Donnerstag die Grundlage für viele Fragen werden, die sich die Teilnehmenden im Laufe der insgesamt drei Diskussionsrunden stellten. Dem Prinzip des Barcamps folgend, stand der Erfahrungsaustausch der inner- und außerschulischen Akteur:innen im Mittelpunkt, der kein festgelegter Referent:innenplan, sondern ein Feuerwerk an Vorschlägen folgte. Jeder und jede Eingeladene konnte eigene Diskussionsgruppen gründen – und entweder im Vorfeld Inputs dazu vorbereiten, oder ganz spontan mit einer Idee einsteigen, der sich dann andere anschließen konnten. Zu insgesamt 17 Themen begann schließlich ein reger Austausch via Zoom, darunter Fragen wie: Wie viel religiöse Bildung gehört in Schulen? Wie können Lehrkräfte gestärkt werden? Wie gelingt diversitätssensibles und diskriminierungskritisches Lernen? Wie kann man Schule queer denken? Und welche Erfahrungen gibt es zu inklusiver, barrierefreier Bildung an sächsischen Schulen? Das Angebot an diesem Tag ist so vielfältig wie seine Themen; in Workshops wurden neue Methoden vorgestellt und ausprobiert. Besonders viel Anklang fand dabei der „Demoslam“: das Dialogformat soll in kontroversen Debatten Polarisierung auffangen, indem ein Dialog außerhalb der Pro-Kontra-Logik angeregt wird. „Wir bringen Menschen mit unterschiedlichen Ansichten zusammen, anstatt sie in Lager zu spalten.“, verspricht Projektkoordinatorin Leonie Pessara. Die Methode will so einen Beitrag zu Demokratieförderung, Partizipation und Extremismusprävention leisten. Die Nachfrage war so groß, dass die beiden Leiterinnen ihren Workshop schließlich zweimal anboten; auch Projektpartnerschaften wurden angeregt.
In einem anderen Workshop stellte die Dresdener Künstlerin Nazanin Zandi das Comicbuch „Stimmen“ vor, Untertitel: „47 wahre Geschichten von Dresdner Frauen aus aller Welt“. Auch Antje Dennewitz, die den Tag mit ihrem Graphic Recording begleitet, hat Geschichten darin illustriert, die Texte selbst sind im Original und mit deutscher Übersetzung abgedruckt. Auch Ideen für neue Schulfächer wurden vorgestellt, Konzepte zur diversitätssensiblen Lehre vorgestellt, Diskriminierungskritik und zivilgesellschaftlicher Zusammenhalt in der Schule angeregt.
Am Ende waren sich die meisten einig: die sechs Stunden, die viele am Morgen noch sehr herausfordernd erschienen waren, waren wie im Flug vergangen. Im Mittelpunkt stand der Austausch, Dank gab es für die Möglichkeit vieler neuer Kooperationspartner. „Die Atmosphäre war sehr gut, man nahm es trotz digitaler Umsetzung als geschützten Raum wahr“, schrieb eine:r der Teilnehmenden, Lob gab es für die versammelte Kompetenz und den kollegialen Austausch. „Keine Referenten, sondern Austausch auf Augenhöhe – das macht Mut, selbst etwas anzubieten!“ Am Ende bringt einer der Workshopanbietenden die Erkenntnis vieler auf den Punkt: „Schule muss nicht nur ein Ort sein, an dem sich Schülerinnen wohlfühlen, sondern auch die pädagogischen Fachkräfte.“ Eine andere Teilnehmende lobt: „Das war kurzweilig wie noch nie. Mitgenommen habe ich auch: alles was wir an Bedürfnissen haben, müssen wir von unten anschieben.“ Und schließlich eine Erkenntnis, auf die sich die Runde dabei am Ende sicher einigen kann: „Keine Veränderung kann stattfinden ohne das Team. Der Teamprozess muss als erstes kommen, um mit gutem Beispiel voranzugehen.“
Weitere Informationen zum Projekt Schule im Dialog Sachsen.