Die Gräben zwischen „Pegidisten“ und „No-Pegidisten“ bleiben tief, zeigte der zeitweise sehr aufgeladene, teils sogar aggressiv geführte Disput im Stadtmuseum (<media 1371>Sammlung aller Argumente</media>). Dreh- und Angelpunkt ist offensichtlich die Frage, in welchem Maße Pegida „nur“ ein Konglomerat politikenttäuschter Bürger ist oder sich eben doch primär gegen Flüchtlinge und andere Ausländer richtet.
200 Bürger waren auf Einladung von Landeszentralen-Direktor Frank Richter an diesem Abend gekommen, aus Dresden, aus dem Umland, sogar aus Berlin waren einige angereist. Aber auch viele Journalisten und Politiker saßen im Publikum, was sicher nicht nur der aktuellen Brisanz des Themas geschuldet war – sind es doch gerade Politik und Medien, die den auf der Straße artikulierten Zorn der Pegida auf sich gezogen hatten. Als „privater“ Zaungast hatte sich zudem SPD-Bundesvorsitzender Sigmar Gabriel ins Publikum gemischt – wohl um zu verstehen, was „da in Dresden eigentlich los ist“.
„So etwas gab nicht mal zu DDR-Zeiten“
Tatsächlich wurde ein Bild, das sich in den vergangenen Wochen bereits abgezeichnet hatte, während der Diskussion immer schärfer: Obwohl sich Pegida eben „Patrioten gegen die Islamisierung des Abendlandes“ ausschreibt, ist der ursprüngliche Islam-Impetus für viele Anhänger und Mitläufer offensichtlich nur ein peripheres Thema. Da erbosten sich bekennende Pegida-Anhänger im offenen Disput viel öfter über ignorante Behörden, eine (so empfundene) Überverrechtlichung und Überbürokratisierung des Lebens, über marode Straßen, über den Kapitalismus als solchen oder über ein „Kartell“ arroganter Politiker und Journalisten.
Die „politische Klasse“ habe sich vom Wahlvolk „abgekoppelt“, beklagte beispielsweise ein Pegida-Anhänger. Ein anderer mokierte sich über das „asoziale Netzwerk Facebook“, ein dritter, dass er auf seine vielen Schreiben an Behörden mit seinen Sorgen entweder gar keine Antwort bekommen habe oder nur abgewimmelt worden sei. „So etwas gab nicht mal zu DDR-Zeiten“, war wiederholt zu hören: Da habe man wenigstens garantiert eine Antwort auf Eingaben bekommen – und sei es auch eine abschlägige.
Mangelnde Dialogbereitschaft und selektive Wahrnehmung
Da redete sich mancher schnell in Rage. Staatsschauspiel-Intendant Wilfried Schulz zum Beispiel wurde gar niedergeschrieen, als er den Dresdnern vorwarf, trotz aller Lippenbekenntnisse doch Fremdenfeindlichkeit in der Stadt zu dulden und dies mit Alltagsbeispielen zu belegen suchte – er erntete höhnisches Gelächter und Einwürfe wie, dies sei „antideutsche Propaganda“.
In diese Kerbe schlug auch die ehemalige DDR-Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld (CDU), die von einer „hysterischen“ Reaktion von Politik und Medien auf diese „neue Bürgerbewegung“ Pegida sprach, von Politikern, die „mit ultralinken Antifas“ mitmarschieren und damit den „antitotalitären Grundkonsens“ aufkündigen würden.
„Dschihadismus der politischen Korrektheit“
Auch der dezidiert Pegida-kritische TU-Kommunikationsprofessor Wolfgang Donsbach warnte vor einem „Dschihadismus der politischen Korrektheit“ in den Medien. Zugleich attestierte er den Pegidisten aber mangelnde Dialogbereitschaft und eine selektive Wahrnehmung nach dem Motto „Alle sind gegen uns“. „Ja, Demokratie ist anstrengend“, betonte er. Sich in demokratische Prozesse einzubringen, an Problemlösungen mitzuarbeiten, sei jedenfalls „anstrengender, als montags spazieren zu gehen“, sagte er mit Blick auf die oft schweigenden nächtlichen Märsche der Pegida durch Stadtzentrum, die diese offiziell als „Spaziergänge“ deklariert.
Ein Moslem aus Berlin, der extra für diese Veranstaltung nach Sachsen gekommen war, brachte wohl treffend auf den Punkt, was den Rest der Republik so sehr auf die Barrikaden treibt, wenn man das Wort „Pegida“ nur hört: Die namensgebende Furcht von einer „Islamisierung des Abendlandes“ werde von Muslimen – ob nun von den Dresdner Protestierern intendiert oder nicht – als Affront aufgefasst und von weltoffenen Menschen als Fremdenfeindlichkeit empfunden. „Streichen Sie dieses Wort und dann kommen wir zusammen auf einen Nenner“, war wiederholt sinngemäß von Pegida-Gegnern in der Debatte zu hören.
Ringen um kleinsten gemeinsamen Nenner
Gerade dieses Ringen um einen kleinsten gemeinsamen Nenner zwischen Pegida und Nicht-Pegida war es auch, die Landeszentralen-Chef Frank Richter zu Jahresbeginn veranlasst hatte, solch eine Dialog-Reihe aufzulegen. In der ersten Stufe sollen vor allem Streitpunkte klar herausgearbeitet werden, bevor man zu Lösungen finden kann.
Wie bei der Auftaktveranstaltung am 6. Januar 2015 setzte Frank Richter deshalb auch am Freitag im Stadtmuseum auf eine freie, weitgehend unmoderierte Debattenform. Dabei können sich bis zu vier Diskutanten aus dem Publikum an einen Tisch in der Mitte setzen, um so kurz wie möglich ihre Argumente darlegen, warum man zu den Pegida-Demos gehen oder dies bleiben lassen sollte. Findet auch nur einer aus dem Publikum, dass zuviel geredet wurde und er oder sie jetzt an der Reihe sei, muss er oder sie dem „Schwätzer“ nur die Hand auf die Schulter legen und nimmt dessen Platz ein. Ein Verfahren, das – wie beide Veranstaltungen bewiesen haben – jedenfalls für eine ziemlich offene Debatte sorgt. Die Landeszentrale will die Reihe am 3. Februar fortsetzen.
Heiko Weckbrodt ist Freier Journalist und Bloger
<media 1371 - - "TEXT, 2015-01-22 Kritik erwuenscht Argumente, 2015-01-22_Kritik_erwuenscht__Argumente.pdf, 45 KB">Sammlung aller Argumente</media>
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