Die 1980er-Jahre standen unter dem Zeichen der Auflösung der Sowjetunion und dem Ende des Kalten Krieges. Gerade zum Ende der Dekade häuften sich in allen Ländern des sogenannten Ostblocks die Proteste der Bevölkerung gegen den autoritären Realsozialismus, fehlende politische Rechte und zunehmende Versorgungsengpässe von essenziellen Lebensmitteln. Diese Protestbewegung führte in Deutschland schließlich zur Friedlichen Revolution, im Zuge derer auch das hauptsächliche Ziel des Unmutes in der Bevölkerung, das Ministerium für Staatssicherheit, sein Ende fand. Obwohl zu diesem Zeitpunkt etwa eine halbe Million Menschen im Dienst der DDR unter Waffen stand, konnte sich die friedlich protestierende Bevölkerung durchsetzen.
Schwindende Macht des MfS
Bereits im Verlauf des Jahres 1989 schwand die Macht der Stasi zunehmend. In den Jahrzehnten zuvor stützte sich die Arbeit des MfS einerseits darauf, durch die SED Befugnisse zugebilligt zu bekommen, welche ihr gewaltsames Vorgehen in der Bevölkerung ermöglichten. Zur Anwendung dieser Gewaltmittel benötigte die Stasi andererseits Personal, welches einen hohen Grad an Konformität in ideologischen Fragen aufwies. Der wahrhaftig empfundene Hass auf den „Klassenfeind“ und ein real verankerter Glaube, dass der höhere Zweck der marxistisch-leninistischen Ideologie die menschenrechtswidrigen Mittel der Stasi rechtfertigte, waren für den größten Teil zumindest der hauptamtlichen Mitarbeiter eine notwendige Bedingung ihrer Arbeit. Beide genannten Grundlagen ließen sich schließlich nicht mehr aufrechterhalten.
Selbstkritik aus Moskau verunsichert die Geheimdienste
Schon seit 1986 hatte Michail Gorbatschow, Regierungschef der Sowjetunion, durch die vorsichtige Ankündigungen von Reformen in zunehmend selbstkritischer Sprache auch das ideologische Selbstverständnis der Geheimdienstler in Frage gestellt. Gorbatschows Reformen sahen darüber hinaus einen Wandel in der Außenpolitik vor – die Sowjetunion plante nun zunehmend, sich aus den Angelegenheiten der ehemaligen Einflusszone, so auch der DDR, herauszuhalten. Zudem kündigte Gorbatschow eine perspektivische Kooperation mit Ländern außerhalb des Ostblockes, vor allem den USA, an.
Für die Kader der Geheimdienste und Geheimpolizei warf dies nicht nur organisatorische Fragen auf, als klar wurde, dass mit einer erneuten militärischen Intervention der Sowjetunion, wie beispielsweise am 17. Juni 1953, in Zukunft vermutlich nicht mehr zu rechnen sei. Intern problematischer war die Verwirrung über den Abbau der ideologischen Spannungen. Die zunehmende Kooperationsbereitschaft mit dem „Klassenfeind“ stellte alles in Frage, womit die Verstöße gegen Menschenrechte auch individuell psychologisch rechtfertigt werden konnten. Es fiel nun deutlich schwerer, die zunehmenden Proteste in der Bevölkerung als „Agitationen des faschistischen Auslands“ einzuordnen, wenn deren Forderungen auch von oberster Stelle anerkannt wurden.
Ohnmacht der SED überträgt sich auf Stasi
Zudem setzte auch in der SED ein Umdenken ein. Den immer stärker werdenden Fluchtbewegungen aus der DDR, vor allem auch über die ungarisch-österreichische Grenze, sowie den zunehmenden Protesten auf der Straße konnte auch aus strategischen Überlegungen heraus nicht mehr nur mit unnachgiebiger Härte begegnet werden, da die Legitimation der SED-Herrschaft in der Bevölkerung bereits allzu starken Schwund verzeichnet hatte. Die Partei erließ daher die Weisung an das MfS, bis auf weiteres keine Maßnahmen zu vollziehen, welche Gefahr liefen, die Kritik der Opposition zu bestätigen.
Dass die Stasi auch in dieser Situation ihr Selbstverständnis wahrte, sich den Weisungen der Partei bedingungslos unterzuordnen, obwohl sie in Bezug auf Ressourcen und Personal immense Möglichkeiten der Selbstermächtigung gehabt hätte, verhinderte dabei, dass es zu einem Massaker wie am 17. Juni 1953 oder erst weniger Monate zuvor im Juni 1989 auf dem Platz des himmlischen Friedens in Peking kam.
Das kommunistische System nach sowjetischem Vorbild basierte vor allem auf der Deutung der Schriften von Karl Marx und Friedrich Engels durch Wladimir Iljitsch Uljanow („Lenin“).
Stark verkürzt wiedergegeben gingen Marx und Engels schon im 19. Jahrhundert davon aus, dass der Kapitalismus sich selbst abschaffen würde, weil das Gewinnstreben der Unternehmerklasse („Bourgeoisie“) automatisch zur massenhaften Verelendung der arbeitenden Klasse („Proletariat“) führe. Eine Revolution würde demnach in dem Moment ausbrechen, in dem sich die Arbeiterklasse ihrer Unfreiheit bewusst würde. Die marxistische Theorie gewann schnell an Zulauf, jedoch waren die Nachfolger von Marx und Engels uneins über die Art und Weise, in der sich die Revolution vollziehen solle. Während einige, wie beispielsweise Karl Kautsky oder Rosa Luxemburg, eine demokratische Form des Kommunismus anstrebten, sahen andere in der Demokratie ausschließlich die Verschleierung der Ausbeutung der arbeitenden Schicht durch das Besitzbürgertum.
In diesem zweiten Sinne interpretierte auch Lenin die Rolle der Parteiendemokratie, der als Führer der „Bolschewiken“ im Jahr 1917 nach einer gewalttätigen Revolution an der Spitze der neugeschaffenen Sowjetunion stand. Im sowjetischen Modell soll sich eine Partei also nicht in Wahlkämpfen als Alternative zu anderen Parteien anbieten: Weil es nach leninistischem Verständnis keine bürgerliche Demokratie geben kann, die einen anderen Zweck als die Ausbeutung der Arbeiterschaft verfolge und Parlamentarismus sowie Parteienvielfalt nur ein „Schauspiel“ darstelle, bestehe legitime Politik allein im Durchführen der proletarischen Revolution. Deshalb bedarf es im Kommunismus auch keiner Parteienvielfalt, da nicht-kommunistische Parteien die Politik der Revolution nur zu behindern versuchten.
Kommunistische Parteien haben also nicht primär zum Ziel, zu Wahlen anzutreten, sondern vielmehr den Zweck, den Vollzug der Revolution aufrechtzuerhalten, also letztlich den realsozialistischen Staat auf allen Ebenen zu stabilisieren. Die wichtigsten Funktionen der Staatspartei im Realsozialismus besteht daher darin, aus der Bevölkerung Personal zu rekrutieren, welches ideologisch geschult und im Anschluss als Funktionäre in Staatsämter geführt werden kann ("Kaderpartei") sowie das zentrale Machtzentrum zu bilden, sodass alle wichtigen Ämter und Personen im Staat durch die Parteiführung kontrolliert werden können.
Umbenennung und Zusammenbruch des MfS
Um die Proteste von sich abzulenken, versuchte die SED, den Kritikern durch eine Umstrukturierung der Stasi entgegenzukommen. Erich Mielke wurde von der Spitze des nun in „Amt für nationale Sicherheit“ umbenannten Apparates abgezogen, jedoch blieb der Auftrag der Stasi unverändert. Zu einem besonders grotesken Vorfall kam es schließlich am 13. November 1989, als Mielke vor der DDR-Volkskammer sprach. Auf den Hinweis eines Parlamentariers, der sich die Anrede „Genosse“ verbat, da schließlich nicht nur Genossen hier säßen, stammelte Mielke die berühmten Worte: „Das ist doch eine formale Frage. Ich liebe... ich liebe doch alle, alle Menschen... Ich liebe doch, ich setze mich doch dafür ein...“, worauf die Volkskammer in Gelächter ausbrach. Dieses Ereignis zeigte symbolisch den Verfall der Stabilität der SED-Herrschaft auf, das System der Angst, mit dem Mielke jahrzehntelang operiert hatte, war nun der Lächerlichkeit preisgegeben.
Besetzung der Behörden
Schon vor der Umbenennung der Behörde erteilte die SED Weisung, die Akten des MfS systematisch zu zerstören, um einerseits die Mitarbeiter zu schützen und andererseits die menschenrechtswidrigen Maßnahmen der Stasi der kollektiven Erinnerung vorzuenthalten. Beginnend mit der Stasibehörde in Erfurt am 4. Dezember begannen daraufhin Bürgerbewegungen, die Einrichtungen zu besetzen. Viele Städte folgten in den kommenden Tagen, in Berlin wurde schließlich am 15. Januar die größte der Einrichtungen besetzt. Die Bürgerrechtsbewegungen sorgten damit einerseits dafür, dass die Vernichtung der Akten unterbunden werden konnte, andererseits lösten sie den Geheimdienstapparat durch die Aneignung der Ressourcen „von unten“ auf.
Aufarbeitung in der Bundesrepublik
Obwohl der größte Teil der Akten dadurch erhalten werden konnte und die Möglichkeit der Aufarbeitung somit gegeben war, herrschte um das dazu letztlich verabschiedete „Stasi-Unterlagen-Gesetz“, welches 1992 in Kraft trat, zu Beginn vorerst Uneinigkeit. Dabei waren es nicht nur ehemalige Mitarbeiter des MfS und Parteigänger der SED, welche sich gegen die Möglichkeit zur Akteneinsicht wehrten, um die eigene belastete Biografie zu schützen. Auch Vertreter der Bürgerrechtsbewegungen und der Kirchen, welche selbst Opfer der Stasi waren, sprachen sich mitunter gegen eine Möglichkeit zur Einsicht aus, um späte Racheakte zu vermeiden und den Prozess der Aussöhnung und Integration der Bevölkerung zu einer gemeinsamen deutschen Bürgerschaft nicht zu gefährden.
Als sich die Möglichkeit eines jahrzehntelangen Verschlusses abzeichnete, wiederholten Bürgerinnen und Bürger der ehemaligen DDR jedoch die Besetzung der MfS-Einrichtungen, um ihrem Protest Ausdruck zu verleihen. Dieser Wunsch nach Aufarbeitung führte schließlich zum Recht auf Akteneinsicht. Verwaltet werden die Unterlagen vom „Bundebeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik“. Bundesbeauftragter ist seit 2011 Roland Jahn, die ihm zugeordnete Behörde konserviert und digitalisiert die Akten und ist darüber hinaus beauftragt, zum Gedenken an die Menschen- und Bürgerrechtsverbrechen des MfS beizutragen.
Derzeit sind der Umzug und die Integration der Behörde in das Bundesarchiv geplant. Nach eigener Darstellung eigenen sich die meisten derzeitigen Aktenstandorte nicht für eine langfristige Aufbewahrung der Akten, weswegen man die Kompetenzen des Bundesarchivs nutzen wolle. Kritik an dieser Maßnahme lässt sich von Bürgerrechtsbewegungen vernehmen, welche verringerte Anstrengungen zur Aufarbeitung befürchten. Die Möglichkeit zur Akteneinsicht gemäß Stasiunterlagengesetz soll in Zukunft jedoch unverändert bestehen. Im Herbst 2019 soll der Bundestag über die Maßnahme entscheiden.