Auf den ersten Blick wirkt es naheliegend, das Gaming auch eine wichtige Rolle in der Schulbildung spielen sollte, ist doch Gaming fundamentaler Bestandteil eines überwältigenden Großteils deutscher Schülerinnen und Schüler - Zwei Drittel aller Jugendlichen spielen regelmäßig Computerspiele am PC, Konsolen oder Handy. Vom lerntheoretischen Aspekt her lassen sich Videospiele mit dem Medium Film vergleichen - auch in digitalen Spielen lässt sich Wissen durch sog. Beobachtungslernen erwerben. Das einfache Beobachten einer Handlung führt dazu, dass ein Verhaltenspotenzial erworben wird. Dabei ist egal, ob diese Beobachtung real, durch einen Film oder durch einen Zeichentrickfilm erfolgt. Ebenso können in digitalen Spielen durch assoziatives Lernen - wie in vielen anderen Medien auch - Wissensstrukturen erworben werden. Assoziativ bezeichnet hierbei den Prozess, dass durch häufiges gemeinsames Auftreten von Begriffen diese miteinander im Gedächtnis verbunden werden.
Den Einsatz von Computerspielen oder deren Prinzipien in der Bildung bezeichnet man als 'Digital Game Based Learning'. Die generelle Anwendung von Mechanismen und Abläufen aus Games im Alltag wird als 'Gamification' bezeichnet. Beides ist essentiell im Bereich der Schulbildung - es wird versucht, das hohe Lern- und Motivationspotenzial von digitalen Spielen für andere Bildungsprozesse zu nutzen. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass Videospiele problemlösendes Denken, Entscheidungsfähigkeit und Konzentration fördern können - alles Kompetenzen, die in der Schulbildung gestärkt werden sollten. In der Schule kommt es entweder zum Einsatz von konkreten Spielen oder zur Übertragung von Spielprinzipien.
Einsatz von konkreten Spielen
Bestimmte Spiele lassen sich gezielt im Unterricht einsetzen, v.a. in den Bereichen den Biologie, Mathematik, Sprachen, Informatik, Geographie, Physik, Kunst und Geschichte. So lassen sich z.B. über VR-Brillen (VR = Virtual Reality, Virtuelle Realität) historische Ereignisse lebensnah erleben oder berühmte Skulpturen von verschiedenen Winkeln betrachten. Das Baukastenspiel Minecraft (2009) wird auch als beliebtes Unterrichtsmaterial verwendet - Häuser müssen entworfen und gebaut werden, Stromkreise erstellt und im Gruppenkontext Aushandlungsprozesse über die Frage 'Was ist in unserer Gemeinschaft wichtig?' geführt werden. Das Spiel 'Assassin's Creed: Origins' (2017) bietet erstmalig einen Spielmodus 'Die Entdeckungstour: Das alte Ägypten' in seiner Spielewelt an - eine Art virtuelles, interaktives Museum, das von Spieleentwicklerinnen, Historikern und Ägyptologinnen gleichermaßen erstellt wurde. Die Idee dahinter ist, dass der Gamer oder die Gamerin die Spielwelt aus Pyramiden, Pharaonen und Hieroglyphen in 75 themenbezogenen Touren entdecken kann - ganz ohne Kämpfe oder Zeitdruck. In Schweden etabliert sich E-Sport mittlerweile sogar als Unterrichtsfach.
Übertragung von Spielprinzipien
Als andere Option wird versucht, zentrale Motivationsaspekte von Games in die Schulbildung zu übertragen. Wichtig ist hierbei die Integration der Prinzipien von Spielen in Lernprozesse: Versuch, Irrtum, Herausforderung, Teamarbeit, Belohnung, Gewinn. Im Spiel 'World of Classcraft' führen Schülerinnen und Schüler Kämpfe gegen verschiedene Ungeheuer - wer sich an die Regeln des Klassenzimmers hält, besonders gut mitarbeitet oder seine Hausaufgaben erledigt, sammelt Erfahrungspunkte und steigt im Spiel zu Helden auf und bekommt z.B. bessere Ausrüstung. Wer genug Punkte sammelt, erarbeitet sich zudem bestimmte Privilegien im realen Klassenzimmer. In diesem Bereich gibt es noch kaum belegbare Studien, jedoch weisen verschiedene Erfahrungsberichte von Lehrerinnen und Lehrern darauf hin, dass durch Spiele wie z.B. 'World of Classcraft' die Motivation enorm steigt und die Noten tendenziell auch.
Aktuelle Herausforderungen
Die genannten Beispiele wirken zwar wie sinnvolle Ergänzungen zum normal-pädagogischen Unterricht, jedoch wird der Stand der Digitalisierung an deutschen Schulen häufig mit einem müden Lächeln quittiert. Oftmals mangelt es an digitaler Ausrüstung oder an Medienkompetenz der Lehrperson oder an beidem. Spiele wie 'World of Classcraft' bleiben oft Einzelanliegen von motivierten, jungen Lehrpersonen. Viele Grundschulen sind oft damit überfordert, wie sie mit ihren jungen Schülerinnen und Schülern umgehen sollten, die oft Videospiele spielen, für die sie laut Altersfreigabe zu jung sind. So wurde z.B. in den letzten Jahren an zahlreichen Grundschulen die Fortnite-Tänze verboten, während andere Grundschulen diese Tänze extra mit ihren Schülerinnen und Schülern eingeübt haben. Der Einbezug von Spielelementen in den Unterricht ist auch kein Garant dafür, dass kein disruptives Verhalten stattfindet oder der Unterricht automatisch besser wird. Videospiele können nur dann ihr Potential entfalten, wenn Lehrpersonen sinnvoll medienpädagogisch damit und mit ihren Schülerinnen und Schülern umgehen können. Zentrales Anliegen von sinnvollem Gaming in der Schulbildung ist also v.a. eine Reform der Lehrerausbildung und eine zielgerichtete Investition in die digitale Ausrüstung von Schulen.