Lisa Wendler ist im Jugendclub Kurti in Bautzen ehrenamtlich aktiv, hat diesen sogar mitgegründet. #wtf?! traf die 21-Jährige zum Gespräch.
Lisa, du engagierst dich seit zwei Jahren im Jugendclub Kurti und warst daran beteiligt, den Club überhaupt erstmal entstehen zu lassen. Wie kam es dazu?
Ich habe mich Ende 2015 bei der Jugend-Ideen-Konferenz eingebracht. Wir haben Jugendliche befragt, was und was nicht. Wir befragten sie, wo sie Potenziale sehen und was sie sich wünschen, um eine bessere Lebensqualität zu haben. Oder einfach mehr Spaß. Mit den Antworten aus den drei oder vier großen Befragungen sind wir zum Stadtrat gegangen, haben uns vorgestellt und sind damit das Sprachrohr der Jugendlichen geworden.
Hattet ihr von Anfang an die Idee, einen Jugendclub zu gründen?
Nicht ganz. Jugendliche wollten hier in der Stadt einen Freiraum haben, wo sie sich einfach ohne sozialpädagogische Betreuung bewegen, sich mit Freunden treffen und nach der Schule abhängen können. Es wird ja immer erwartet, dass wir jungen Menschen irgendwas machen nach der Schule, uns irgendwie engagieren. Aber wir wollten einen Raum bieten, wo es einfach mal keine Ansprüche oder Erwartungen gibt. Wir haben uns damals aber auch noch mit anderen Themen beschäftigt, wie zum Beispiel Stadtpolitik, Schulpolitik, Grünflächen…
War dir und den anderen von Anfang an klar, dass das, was ihr macht, eine Art zivilgesellschaftliches Engagement, ein Ehrenamt, ist?
Es war immer irgendwie klar, dass wir was für andere Menschen machen. Ich habe sehr viele Freundinnen und Freunde mitgezogen. Wir haben uns nach der Schule noch getroffen und irgendwas dafür gemacht oder einfach coole Gespräche geführt. So konnten wir uns auch selber weiterentwickeln: Wir wussten vorher ja nicht, wie Stadtpolitik und Kommunalpolitik aussieht, haben viel dazu gelernt. Das war ein positiver Nebeneffekt.
Wie kam es dann konkret zum Kurti?
Wir hatten damals ein Gespräch mit Ministerpräsident Tillich über unsere Sicht auf die Schulpolitik in Sachsen. Aber das hat sich verlaufen. Wir sind da nicht mehr weiter gekommen bei dem Thema und dachten uns: „Was machen wir denn jetzt mit der Initiative?“ Wir hatten alle Bock weiterzumachen. Dann haben wir uns angeschaut, welche Wünsche die Jugendlichen noch hatten: einen Jugendclub oder einen Freiraum. Ende 2016 haben wir Nägel mit Köpfen gemacht, mit eigenem Konzept und erwachsener Unterstützung.
Wie sah die aus?
Unser Projektleiter von der Jugend-Ideen-Konferenz ist in Elternzeit gegangen, darum wurden wir – alle so 17, 18 Jahre alt – etwas ins kalte Wasser geschmissen. Aber die mobile Jugendarbeit hier in der Stadt hat uns immer unterstützt. Die haben von vornherein gesagt: „Wir leiten euch nicht an, sondern wir supporten euch, wenn ihr die Fragen habt oder Probleme.
Wie sieht eure Arbeit jetzt aus? Wie habt ihr euch organisiert?
Den Jugendclub gibt’s seit Anfang Juli 2018. Wir treffen uns ca. einmal pro Monat oder alle zwei Monate im Plenum. Das kann schonmal so vier bis sechs Stunden gehen. Dort sammeln wir Tagesordnungspunkte und Themen, die an uns herangetragen werden. Auch interne Arbeitseinsätze im Jugendclub oder geplante Veranstaltungen müssen organisiert werden. Und wir denken auch darüber nach, wie wir neue Mitglieder gewinnen können.
Wie viele Mitglieder hat eure Initiative?
Gerade engagieren sich zwischen zehn bis 15 Leute bei uns. Es sind aber mehr Menschen, die den Club nutzen – wochentags ca. 20 bis 30 Leute, am Wochenende schon mal 40 bis 50. Aber die wenigsten stammen da aus der Orga-Gruppe. Die ist schon recht streng organisiert. Ich finde es aber anspruchsvoll, in dem Alter mit so einer Struktur und so einer Organisation konfrontiert zu sein.
Wie gewinnt ihr Menschen, die euch aktiv unterstützen können?
Die Jugendlichen sollen einen persönlichen Bezug zu dem Club aufbauen. Das ist unsere Strategie. Wir wollen eine Art Familie für sie sein. Der Raum, den sie gern nutzen, für den sie eine Leidenschaft entwickeln, soll unbedingt weiter für sie bestehen, darum brauchen wir jede Unterstützung. Die Strategie geht aber nicht immer auf: Viele sind eben doch nur zum Konsumieren hier und wollen oder können nicht den Schritt gehen, auch für den Club da zu sein.
Was bedeutet das perspektivisch für euch?
Wir müssen versuchen, Leute zu binden, die sich engagieren wollen. Das ist ein Problem, das wir auch von anderen Initiativen oder Vereinen kennen, nicht nur hier in Bautzen oder im ländlichen Raum. Es ist schwierig, Leute zu motivieren, mitzumachen. Wir können immer nur wieder versuchen, diesen persönlichen Bezug herzustellen. Das hat wahrscheinlich die nachhaltigste Wirkung für ehrenamtliches Engagement. Jemanden einzuarbeiten, der dann nur zwei Monate bleibt, ist aufwendig für alle und auch nicht nachhaltig.
Seht ihr euch als politische Initiative?
Wir sind für die Jugendlichen hier vor Ort. Aber wir würden uns nie als politischen Akteur darstellen.
Welche Rolle spielt das „Kurti” dann in der Stadt?
Das Kurti ist der Raum, wo man sich treffen kann, wo man dem Alltag entkommt und einfach jugendlich sein kann. Hier kann man Spaß haben, muss mal nicht über die Schule, über das Elternhaus oder irgendwas anderes nachdenken. Die Jugendlichen können hier entschleunigen und haben Zeit, Freundschaften zu pflegen.
Wie ist es, sich in einer Kleinstadt wie Bautzen für jugendliche Interessen zu engagieren?
Am Anfang wurden wir nicht ernst genommen. Der Stadtrat dachte sich wahrscheinlich: „Was wollen die von uns? Das sind doch Jugendliche, die dann eh weg sind.“ Wir waren aber hartnäckig, haben betont, wie dringend wir das wollen – bis wir die Leute überzeugen konnten und endlich ernst genommen wurden. Das kippt natürlich immer mal wieder. Wir sind immer noch junge Menschen, deren Leben eher sprunghaft verläuft – nach der Schule kommt die Ausbildung, vielleicht noch ein freiwilliges Jahr, dann Studium. Damit sind wir immer in der Position, uns rechtfertigen zu müssen.
Wie soll es denn in Zukunft weitergehen?
Wir sind noch abhängig von der städtischen Finanzierung, die uns jährlich mit 6.000 Euro Miete unterstützt. Nur so können wir uns die Räumlichkeiten leisten. Unser Anspruch ist aber, irgendwann darauf nicht mehr angewiesen zu sein, sondern wirklich selbstverwaltet agieren und entscheiden zu können. So kommen wir auch aus der Lage heraus, uns rechtfertigen müssen für die Dinge, die hier passieren oder auch nicht passieren.
Wollt ihr einen Verein gründen?
Wann das passiert und ob das passiert, ist natürlich immer die Frage der Kapazitäten und Ressourcen der Leute hier vor Ort. Es ist der nächste Schritt, den wir langsam mitdenken, aber da ist noch nichts festgelegt. Natürlich wollen wir uns hier in der Stadt etablieren. Aber dadurch, dass wir ein Jugendklub sind und überwiegend mit Jugendlichen und jungen Menschen zusammenarbeiten, steckt da noch eine andere Dynamik drin als vielleicht in einem Karnevalsverein oder in einem Sportverein. Wir betreiben schon so eine Art kleine Vereinsarbeit, aber eben für Jugendliche und junge Erwachsene.