Zwischen Wohlmeinenden und Wutbürgern – Das K!D-Projekt 2015
Seit über drei Jahren existiert nun das Projekt „Kommune im Dialog“ (K!D). Die Nachfrage nach Moderationen hält an und ist im Jahresverlauf 2015 stetig gewachsen; das Thema Asyl und Zuwanderung ist bestimmend.
Eine Bilanz für 2015 von Projektmitarbeiter Dr. Justus H. Ulbricht
Bilanziert man ehrlich und nüchtern, was einem auf Bürgerversammlungen und an einzelnen runden Tischen zum Thema „Asyl“ immer wieder begegnet, so stößt man auf eine Mischung verschiedenen Befindlichkeiten, Vorurteilen und Ängsten, gelegentlich Aggressionen.
Verschiedene Teilnehmergruppen
Klar ist, dass sich eine Mehrheit der Bürger aufs Thema „Asyl“ nicht einlassen möchte. Viele pflegen diffuse Bilder „des Fremden“ – und von „der Politik“ und „der Verwaltung“ wird erwartet, dass diese ihnen „das Problem“ vom Halse schaffen.
Eine kleinere Gruppe, die ebenfalls in jeder Einwohnerversammlung zu finden ist, ist hingegen bereit zuzuhören. Sie sucht nach tauglichen Antworten auf echte Fragen, hört geduldig und interessiert zu – und ist folglich bereit, sich auf das Thema einzulassen.
Eine dritte, die kleinste Gruppe, kommt bereits mit einer positiven Grundeinstellung zum Dialog. Sie ist in der Regel schon ehrenamtlich aktiv und besitzt das, was so vielen anderen leider fehlt: Empathie und Mitgefühl für das Schicksal der Flüchtlinge und Asylsuchenden.
Thema „Asyl“ als Deckmantel für andere Probleme
Diejenigen, die aus Verwaltung und (viel zu selten) aus der Politik Abend für Abend Rede und Antwort stehen, sprechen inzwischen anders als noch vor über einem Jahr.
Klarer als anfangs werden Fehler und Schwächen im Umgang mit Asyl und Migration benannt. Die Kooperation mit Ehrenämtern und Bürgern wird begrüßt und unterstützt und das Gespräch mit den Bürgern gesucht.
Allerdings machen die Verantwortlichen oftmals die Erfahrung, dass man ihnen zwar zuhört (meist jedenfalls), aber kaum mehr vertraut oder glaubt. Zahlreiche Bürger vertrauen lieber den „Informationen“ der sozialen Medien, beharren auf einmal gefassten Einschätzungen und sind wenig bereit, die eigene Haltung selbstkritisch zu prüfen.
All dies verweist auf die Tatsache, dass sich im Reden über „Asyl in Deutschland“ andere gesellschaftliche Probleme, individuelle Lebenserfahrungen und verfestigte Bilder unserer aktuellen gesellschaftlichen Situation mal verbergen, mal offenbaren.
Traumatische „Nachwende-Erfahrungen“
Offensichtlich existiert bei vielen Mitbürgern ein Syndrom aus Politikverdrossenheit, Misstrauen gegenüber Eliten und Medien, dem Unwillen, sich auf unsere Rechtsordnung einzulassen sowie individuell problematischen Lebens- und Berufserfahrungen. Auf diese Weise entsteht ein emotional tief verwurzeltes Legitimationsdefizit unserer demokratischen Ordnung.
Es scheint zudem, dass sich problematische, gelegentlich wohl auch traumatische „Nachwende-Erfahrungen“ im Gedächtnis der Menschen seit den 1990er Jahren erhalten haben und nun zur Sprache kommen. „Asyl“ wird so zum Aufhänger ganz anderer Probleme. Die realen Schwierigkeiten im Umgang mit Asyl und Migration werden überlagert von „hausgemachten“ Problemlagen.
Erfahrungen mit K!D
Zu den Erfahrungen mir K!D gehört jedoch auch, dass Verantwortliche und Bürger sehr positiv auf unser Engagement eingehen und das Angebot externer Moderatoren gerne annehmen. Zudem ist ersichtlich, dass mehrere Moderationen am selben Ort in zeitlicher Abfolge dafür sorgen, dass Informationen nachhaltiger wirken. Die Gesprächssituation zwischen Verantwortlichen und Bürgern verbessert sich und verhärtete Standpunkte können sich lockern.
Im Übrigen schätzen diejenigen, die bereit sind zuzuhören und eigene Standpunkte zu überprüfen, dass im Rahmen der Bürgerversammlungen auch Dinge zur Sprache kommen, die mehr mit unserer eigenen politisch-sozialen Situation in Deutschland zu tun haben als mit dem Thema „Asyl“.
Wenn es auch manchmal anstrengend ist: bei den Moderatoren bleibt das Gefühl zurück, eine sinnvolle Arbeit getan und zu einem echten Dialog zwischen Politik, Verwaltung und Bürgern beigetragen zu haben. Und das gezielte Einstreuen von Sachinformationen in die Moderationen ist eine Form der politischen Bildung – und gehört folglich zum Kerngeschäft der Landeszentrale.