Basisdemokratischer Ursprung
Die "Gruppe der 20" war ein Zusammenschluss neuer politischer Kräfte, die maßgeblichen Einfluss auf den friedlichen Verlauf der Ereignisse 1989 in Dresden hatten. Ihr Wirken reichte dabei über die Friedliche Revolution hinaus. Sie beteiligte sich nicht nur an der Protestbewegung und an der Transformation von den alten zu den neuen politischen Kräften, einige Mitglieder hatten darüber hinaus großen Anteil an der Ausarbeitung eines Verfassungsentwurfs und der Neugründung des Landes Sachsen. Die Gruppe diente als Muster für ähnliche Zusammenschlüsse in Plauen und Karl-Marx-Stadt (Chemnitz).
Die "Gruppe der 20" hat ihren basisdemokratischen Ursprung in einer Demonstration am 8. Oktober 1989 in Dresden. Während der Demonstration wurden die Teilnehmenden von der Polizei eingekesselt. Die Situation war sowohl auf Seiten der Demonstranten als auch der Sicherheitsorgane sehr anspannt und aufgeheizt, da es zuvor bei der Durchfahrt von Reisezügen mit Prager Botschaftsflüchtlingen in Richtung Bundesrepublik am 4. Oktober in und um den Dresdner Hauptbahnhof zu einer Eskalation der Gewalt gekommen war. Die kritische Situation, die von Angst und Wut auf beiden Seiten geprägt war, konnten die an der Kundgebung beteiligten Kapläne Frank Richter und Andreas Leuschner durch Verhandlungen mit der Polizei entspannen.
"Gruppe der 20" als Verhandlungspartner
Es wurden 20 Bürgerinnen und Bürger von der Versammlung bestimmt, um am nächsten Tag mit den örtlichen Behörden über die spontan aufgestellten politischen Forderungen (Versammlungs- und Pressefreiheit, Recht auf freie Meinungsäußerung und Anerkennung der "Gruppe der 20") zu verhandeln. Das Gespräch mit dem Dresdner SED-Bürgermeister Wolfgang Berghofer, der ähnlich wie Hans Modrow als Hoffnungsträger progressiver SED-Mitglieder galt, verlief konstruktiv. Beim zweiten Treffen mit Berghofer forderte die "Gruppe der 20" ihre offizielle Anerkennung, die ihr beim nächsten Treffen auch zuerkannt wurde, ebenso wie das Rederecht in der Stadtverordnetenversammlung. Der Dresdner Bürgermeister Berghofer beabsichtigte sogar, die Gruppe in staatliche Strukturen einzubinden, was aber einige Mitglieder ablehnten.
Unter den ersten Mitgliedern der "Gruppe der 20" befanden sich fast nur parteilich ungebundene Personen, aber auch jeweils ein SED- und Block-CDU-Mitglied. Insgesamt schwankte die Mitgliederzahl stetig. Mitglieder der "Gruppe der 20" waren u.a. Herbert Wagner, Friedrich Boltz, Frank Neubert, Ulrich Baumgart, Steffen Heitmann, Arnold Vaatz, Frank Richter. Am 31. Mai 1990 löste sich die "Gruppe der 20" auf, nachdem zentrale Forderungen umgesetzt waren und die Zahl der Mitglieder zurück ging.
Erklärung der "Gruppe der 20" in der Stadt Dresden (Oktober 1989):
Wir, die "Gruppe der 20" haben uns aus der gewaltfreien Demonstration am 08.10.89 zusammengefunden, den drohenden Kreislauf der Gewalt zu unterbrechen und die Aufgabe übernommen, die Forderungen der Demonstranten an den Oberbürgermeister der Stadt Dresden zu überbringen.
Von uns selbst nicht erwartet, haben wir bei vielen Bürgern der Stadt Dresden große Hoffnungen geweckt, daß nun endlich die Lösung dringender Probleme beginnt. Wir haben unsere Verantwortung erkannt und sind bereit, uns den kommenden Aufgaben zu stellen. Wir verstehen uns nicht als neue Partei und lehnen den Begriff Opposition für uns ab.
Wir wollen den gewaltlosen Dialog, und wir wollen Veränderungen auf der Basis der sozialistischen Gesellschaft.
Wir betrachten uns bis auf weiteres als Mittler des Dialogs zwischen den Staats- und Parteiorganen und der Bevölkerung der Stadt Dresden. Wir wollen mit dafür sorgen, daß die Erwartungen und Vorstellungen der Bürger in den Dialog einfließen und zu deutlich erkennbaren Veränderungen führen. Wir wollen zu diesem Zweck Arbeitsgruppen zu verschiedenen Problemkreisen bilden, die allen Bürgern offenstehen.
Wir fordern als Voraussetzung für den gewaltfreien Dialog:
- Die uneingeschränkte, sachliche, wahrheitsgetreue und umfassende Berichterstattung der Medien.
- Die Garantie auf freie Meinungsäußerung ohne persönliche Nachteile.
- Genehmigung und Schutz friedlicher Demonstrationen und Kundgebungen zur Unterstützung von Vorschlägen und Forderungen der generellen Nichtanwendung des Paragraphen 217 StGB und des Paragraphen 5 OWVO.
- Die Anerkennung der durch die "Gruppe der 20" initiierten Arbeitsgruppen als kompetente Gesprächspartner zu den entsprechenden Gesprächskreisen.
- Die Anerkennung der "Gruppe der 20" als gesellschaftliche Tätigkeit.