Wichtig ist zunächst, dass man weiß, dass es Personen gibt, die nach bestem Wissen informieren wollen, andere, denen schlicht Kenntnisse fehlen und wiederum andere, die absichtlich täuschen und betrügen wollen. Daher gilt: Skeptisch sein ohne in ein pauschales Misstrauen zu verfallen und zu denken, man kann nun nichts mehr glauben.

Denn es gibt klare Kriterien, wie man Aussagen überprüfen und gesicherte Erkenntnisse gewinnen kann. Juristen, Ermittler, Wissenschaftler und Journalisten haben für Ihre Berufe Regeln und Vorgehensweisen erarbeitet. Als Nutzerin oder Nutzer von (digitalen) Medien kann man sich etwas von diesen Mitteln und Wegen abschauen, um gut und sicher durch das Dickicht an Information, Falschinformation und Desinformation zu manövrieren. Und man kann damit einschätzen, ob Medien oder Quellen vertrauenswürdig sind, wenn man deren Arbeit an eben jenen Kriterien misst.

 

Vorsicht, wenn einem der Inhalt eines Beitrags sehr gefällt oder sehr aufregt. Menschen neigen dazu, ihr schon bestehendes Bild von einer Person oder einer Sache lieber bestätigen zu wollen als dieses zu verwerfen. Desinformation verfängt daher umso besser, wenn sie auf Vorurteile trifft und bestehende Vorstellungen bestätigt.

Vorgefertigte Bilder haben alle Menschen im Kopf, denn sie sind an sich nützlich im Alltag. Sie kritisch zu betrachten und auch abzuwerfen, wenn sie sich als sachlich falsch erweisen, kann schwerfallen. Denn noch immer ist eine Fehlerkultur weit verbreitet, die Fehler bestraft, statt sie als wichtigen Teil im Werden zu erkennen. Vielen Menschen fällt es daher nicht leicht gegenüber anderen oder sogar sich selbst zuzugeben, wenn sie sich geirrt haben. Dabei ist Irren sprichwörtlich menschlich.

Im Journalismus, in der Wissenschaft und der kriminalistischen Ermittlung ist es grundlegend, frühere Gewissheiten zu verwerfen, wenn man neue Informationen gewonnen hat. Das Gewinnen von Erkenntnissen beruht hier darauf, dass man gemeinsam Fehler findet und diese korrigiert.

Wer die eigenen Wissenslücken und Blindheiten offenlegt, offen seine Fehler korrigiert, der oder die macht sich glaubwürdiger. Besonders aufpassen sollte man daher, wenn jemand auf Blogs oder in Kommentarspalten behauptet, die „ganze“ oder die „eigentliche“ Wahrheit zu kennen.

 

Wer sich in einer Sache auskennt, der fällt weniger auf Lügen, Falschinformationen und Betrug herein. Gerade im Schnelldurchlauf von Posts in den sozialen Netzwerken, empfiehlt es sich manchmal innehalten und sich zu fragen, ob ein Post überhaupt zu dem passt, was man bereits weiß. Denn im Affekt und bei Beiträgen, die starke Gefühle auslösen, glauben Menschen leichter etwas, obwohl sie es besser wissen.

Man kann sich fragen: Gibt es vielleicht etwas, das man kennt und was gegen diese Aussage spricht? Oder stellt man vielleicht fest, dass man zu wenig weiß, um einzuschätzen, ob eine Sache stimmt oder nicht? Falls ja, sollte man vorsichtig sein und lieber mehr Informationen und Hintergrundwissen einholen, um sich ein Urteil bilden zu können.

 

Besondere Vorsicht ist geboten, wenn ein Beitrag heftige Emotionen wachruft. Ob es negative Gefühle sind, wie Wut, Angst oder Ekel oder auf der anderen Seite große Hoffnungen und Heilsversprechen: So bald man starke Emotionen hat, kann man weniger klar und rational denken und urteilen. Wer von Angst eingenommen ist, kann auf eigenes Wissen schlechter zugreifen und ist eher bereit radikale und schnelle Lösungen zu befürworten.

Diese an sich sinnvolle evolutionäre Strategie des Gehirns kann gezielt ausgenutzt werden. Desinformation und Propaganda zielt daher sehr oft auf solche Reaktionen ab, versucht Gefühle anzusprechen und Menschen so von einer Sache zu überzeugen oder abzubringen.

Insbesondere schlechte Gefühle lenken Aufmerksamkeit ab. Denn aus evolutionärer Sicht ist es sinnvoll, unmittelbar das zu beachten, was dem Gehirn Gefahr signalisiert. Kommerzielle soziale Medien machen sich diesen Mechanismus besonders zunutze. Indem deren Algorithmen entsprechende Inhalte bevorzugen, sollen Menschen länger auf der Plattform verweilen und sich damit die Werbeeinnahmen erhöhen. Aus diesem Grund sind kommerzielle Plattformen die perfekte Spielwiese für Online-Propaganda, Hassbeiträge und Desinformation.

 

Jeder Historiker und jede Ermittlerin wird eine Quelle mit dieser Frage einschätzen: Was weiß ich über die Quelle? Ist die Person glaubwürdig, authentisch und wahrhaftig? Kennt sich die Person in der Sache gut aus und woher hat sie ihre Fachkenntnis?

Auch ist wichtig zu fragen, ob die Person bestimmte Interessen verfolgt und mit welcher Absicht diese einen Beitrag verfasst hat. Ein Hinweis dafür können Informationen sein, welchen Beruf die Person hat, zu welchen Organisationen und Gruppen die Person gehört, wie sie ihr Geld verdient und wie sie sich sonst zu bestimmten Themen äußert.

 

Nicht immer sind Autor oder Autorin von Beiträgen bekannt. Ein Beitrag verdient dann mehr Vertrauen, wenn das Medium glaubwürdig ist. Die Glaubwürdigkeit einer Zeitung, eines Blogs oder eines Youtube-Kanals kann man daran festmachen, ob es sich an journalistischen Qualitätsstandards orientiert und ob es Eigentümer, Beteiligte, Finanzierung, Interessen und Ziele transparent macht.

Für Journalismus allgemein und die Printmedien im Besonderen sind diese Regeln im Pressekodex verbrieft. Für Rundfunksender gibt es die Medienstaatsverträge. Die Landesmedienanstalten vergeben Rundfunklizenzen und stellen an die Sender auch Ansprüche an Qualität und Transparenz ohne den Inhalt an sich zu regulieren.

Man kann selbst weitere Fragen an ein Medienangebot stellen: Hat die Webseite ein Impressum und wird darin deutlich, wer verantwortlich für die Inhalte ist? Hat sich das Medium dem Pressekodex verpflichtet? Werden die Informationen sachlich präsentiert? Verfolgt der Kanal, die Webseite oder das Medium eine bestimmte Agenda verfolgt und wenn ja, welche? Wer finanziert die Arbeit und mit welchen Interessen?

Freilich finden sich Fehler auch in seriösen Medien. Wichtig wird dann zu betrachten, wie sie mit den Fehlern umgehen. Werden Fehler richtiggestellt und die Korrektur veröffentlicht? Gibt es bereits Rügen des Presserats gegen das Medium? Was sagen Fachleute zu dieser Webseite oder diesem Medium?

 

Seriöse Medien kennzeichnen die verschiedenen Arten ihrer Beiträge und machen so Nachrichten von Meinungen und Anzeigen unterscheidbar. Werbung muss laut Pressekodex und auch nach dem Medienstaatsvertrag gekennzeichnet sein. Journalistische Satire wird ebenso als solche kenntlich gemacht wie ein Meinungsbeitrag oder Kommentar.

Doch gerade auf Blogs und auf Webseiten sind mitunter solche Kennzeichnungen sehr unscheinbar oder sie fehlen gänzlich. Daher sollte man sich fragen, welche Ziele und Absichten ein Beitrag hat:

Soll dieser informieren, etwas nachvollziehbar und verständlich machen? Lässt der Beitrag eigene Schlüsse zu? Soll der Text ein Meinungsangebot machen oder von etwas überzeugen? Soll der Text eine bestimmte Stimmung erzeugen oder gar Angst machen? Soll indirekt etwas verkauft werden oder ein Klick gesammelt werden? Ist der Beitrag durch jemanden gesponsert oder ist es eine Anzeige? Ist es Satire und entsprechend als solche gekennzeichnet?

 

Jeder seriöse Beitrag sollte klar und nachvollziehbar aufführen, woher die darin enthaltenen Informationen kommen. Wenn gar keine Belege genannt werden oder nur von Hörensagen berichtet wird, sollte man vorsichtig sein.

Die Frage ist aber zugleich auch, wie vertrauenswürdig die genannten Quellen selbst sind – dafür sind die obigen Fragen wichtig. Wenn möglich sollten originale Quellen verwendet werden – sowohl in einem seriösen Text als auch beim Überprüfen einer Erzählung oder eines Sachverhaltes.

 

Seriöse Beiträge benennen ganz klar, wer was wann wo und wie gemacht oder gesagt hat. Diese genannten Sachverhalte lassen sich an überprüfen. Konkrete Belege können dafür gefunden werden – wenn auch nicht immer unbedingt einfach.

Gerade Meinungsbeiträge, die Stimmung gegen jemanden oder für eine Sache machen sollen, beantworten W-Fragen oft entweder gar nicht, mit fiktiven Fakten oder nur sehr ungenau. Stattdessen arbeiten populistische, propagandistische und desinformierende Beiträge mit emotionalen Bildern, Verallgemeinerungen und anderen manipulativen Strategien.

Wenn beispielsweise jemand behauptet, mit der Corona-Schutzimpfung würden elektronische Chips implantiert, aber es werden keine konkreten W-Fragen dazu beantwortet, kann man das getrost als haltlos einordnen und sollte das nicht weiterverbreiten. In einer journalistischen Recherche müssten etwa solche Fragen konkret beantwortet werden: Wer hat die Chips wo produziert? Auf welchen Wegen gelangten sie in die Impfung? Wann wurden Absprachen dazu durch wen getroffen? Und wer hat solche Chips in den Impfungen nachgewiesen und wie?

 

Vertrauenswürdige Personen und Medien benennen, was ihnen unbekannt ist, was nicht herauszufinden war und was in der Spekulation liegt. Solche offen kommunizierten Erkenntnis- oder Recherchelücken sind keine Anzeichen für Schwäche, sondern für Glaubwürdigkeit und bieten Lesern oder Zuschauerinnen die Möglichkeit, weiter zu denken und zu recherchieren.

Besondere Vorsicht sollte man daher bei all jenen haben, die behaupten, die ganze Wahrheit zu kennen – vielleicht sogar angeblich als einzige, während die anderen angeblich lügen oder etwas verschweigen würden.

 

Eine der wichtigsten Regeln in der journalistischen Recherche ist die Suche nach einer weiteren Quelle, die eine Sache bestätigen kann. Diese Quelle muss aber von der ersten Quelle unabhängig sein. Beispielsweise wäre die Aussage eines Mitarbeiters, dass die Unternehmensführung in korrupte Geschäfte verwickelt sei, allein kein Beleg, auch wenn die Ausführungen sehr detailliert sind. Es bräuchte daher einen weiteren Beweis, etwa eine Quittung oder einen Kontoauszug.

Ähnlich kann man als Nutzerin oder Nutzer vorgehen: Besonders wenn eine Information sehr ungewöhnlich erscheint, sollte man weitere Medien, Webseiten und Personen hinzuziehen, die als vertrauenswürdig gelten können. Auch kann man Bekannte mit anderen Kenntnissen und Ansichten nach ihrer Einschätzung fragen.

 

Das Beispiel was jeder aus der Krimi-Serie kennt: Nach einem Einbruch erscheint glasklar, wer der Täter war und ein Motiv aber kein Alibi hatte. Doch nach weiteren Ermittlungen kommt ein ganz anderer Tathergang ans Licht. Was man von Detektiven und auch von Wissenschaftlern lernen kann: Wenn man eine Vermutung oder eine Behauptung hat, sollte man sich fragen, was dagegen spricht und ob es noch andere mögliche Erklärungen gibt.

Denn findet man einen deutlichen Widerspruch, einen klaren Beleg, der gegen eine Version spricht, dann kann man die Vermutung verwerfen. Mitunter ist es einfacher, schneller und sicherer, diesen umgekehrten Weg der Erkenntnis zu gehen, als noch weitere Indizien zu sammeln. Um das anschaulich zu machen: Will man wissen, ob wirklich alle Schwäne weiß sind, braucht man nur den einen schwarzen Schwan zu finden, statt sich tausende Teiche und Schwäne anzuschauen und noch immer keine Gewissheit zu haben, ob alle Schwäne weiß sind.

Gerade wenn jemand Geschichten erfindet oder etwas hinzudichtet, können Teile davon unlogisch und unplausibel sein. Daher kann man sich fragen, ob die Erzählung oder die Begründung schlüssig ist. Was bleibt unklar? Was klingt merkwürdig? An welchen Stellen ist etwas unwahrscheinlich, untypisch oder auch unmöglich? Gibt es widersprüchliche Informationen, die gegen diese Version sprechen? Gib es eine schlüssigere Erklärung?

Auch zu genannten Personen kann man fragen, wie plausibel es ist, dass sie genau das getan haben, was in einem Beitrag beschrieben wird. Entspricht die beschriebene Handlung den sonstigen Interessen und Denken der Person? Würde sie sich damit nicht selbst schaden? Doch aufpassen sollte man natürlich auch hier auf die eigenen Vorurteile, die man gegen bestimmte Gruppen von Menschen hat und die auch teils gezielt geschürt werden, um diese in ein schlechtes Licht zu rücken.