„Bereits früh lernt man“, so überlegt Peter Thiers, Dramatiker am Thalia Theater Hamburg, „Spiel und Ernst sind zwei grundlegende Gegensätze. […] Wenn es im Leben etwas zu erreichen gäbe, das dem Wert eines erwachsenen Menschen in etwa entsprechen könnte, dann sei dies wohl sicher nicht das Spiel, sondern der Ernst“. Was Thiers hier zu Beginn seines Essays anspricht, könnte ein tiefsitzender Grund für den schweren Stand der Videospiele sein – wer spielt, der arbeitet nicht. Kindern mag das vergönnt sein, sie dürfen spielen, weil sie für die ernste Arbeitsgesellschaft noch nicht reif sind. Wenn Erwachsene spielen, dann schwingt jedoch direkt die Vermutung mit, dass sie sich wie Kinder verhalten, dass sie unreif, vielleicht sogar faul und im Extremfall asozial sind.
Ein Roman erzählt, ein Sachbuch erklärt, ein Film oder ein Foto zeigen. Das alles können „ernste“ Tätigkeiten sein, sie sind Meilensteine der menschlichen Entwicklung. Das Spielen jedoch gilt vielen bis heute als kindlich, weil es im Gegensatz zum Arbeiten für die Gemeinschaft keinen unmittelbaren Wert erzeugt. Dabei stellt auch das Spielen eine wichtige Kulturtechnik dar. In spielerischer Auseinandersetzung lernen Menschen Inhalte, sie erkunden Rollenbilder und stoßen auf Problemstellungen, welche durchaus ernsten Hintergrund haben können.
Nun ließe sich einwenden, dass auch das Spielen gesellschaftlich einen hohen Stand genießt: Wenn das Staatsorchester eine Dvořák-Symphonie spielt, wenn ein Theaterhaus einen Klassiker spielt, dann werden die Wenigsten dies als „unreif“ oder gar „Zeitverschwendung“ einordnen. Aber vielleicht liegt genau hier wieder der entscheidende Unterschied im Medium – Musikerinnen und Musiker, Schauspielerinnen und Schauspieler spielen. Das Publikum hingegen spielt nicht, ihm wird gezeigt, erzählt oder zu Gehör gebracht – von Menschen, die auf der Bühne ihrem Beruf nachgehen, also arbeiten. Das Spielen erfährt also nur dann höchste Ehrungen, wenn es eine professionelle Arbeit darstellt.
Der wirklich frei spielende Mensch hat – in unserer Gesellschaft – am Ende immer die Gestalt eines Kindes.