Alles nur Trash?
Darin ist oft schon eine Annahme über die Qualität des Spiels enthalten: Kinder gäben sich auch mit Billigem zufrieden, solange es blinkt und Lärm macht. Aber selbst wenn das stimmen sollte, darf eines nicht vergessen werden: Kinder haben selbst nur eine begrenzte Auswahl, erwachsenen Menschen steht das ganze Feld offen. Und gerade hier besteht gegenüber Videospielen ein gängiges Missverständnis: Der Inhalt bestehe entweder aus der seelenlosen Jagd auf den Highscore, aus hirnlosen Gewaltorgien oder aber aus überemotionalisiertem B-Movie-Trash. Dass sich dieses Vorurteil so hartnäckig hält, ist nicht die Schuld der Kritikerinnen und Kritiker, sondern lässt sich direkt auf das Marketing der Branche zurückführen.
Denn wer noch keinen Zugang zu Videospielen hatte und im Feuilleton nicht zufällig auf eine der spärlichen Besprechungen trifft, dessen erster Eindruck von Videospielen wird im Kino oder vor dem heimischen Fernseher geprägt, wenn Bombast-Action in Trailerform serviert wird, welche auch von Michael Bay selbst produziert worden sein könnte. Tatsächlich werden diese Kontakte immer häufiger: Allein das Marketingbudget des Actionspiels „Call of Duty: Modern Warfare II“ betrug geschätzte 200 Millionen Dollar, wobei noch keine Entwicklungs- und Produktionskosten mitbedacht sind. Dies entspricht dem, was die komplette Produktion des Films „Titanic“ im Jahr 1997 kostete – einschließlich Marketing. So verwundert es wenig, dass die Ästhetik solcher Videospiele bemüht ist, einen gemeinsamen Nenner zu treffen, der sich auch auf einem solchen Massenmarkt behaupten kann.
Zum Running-Gag der Gamingszene entwickelte sich folgerichtig die Darstellung einer Trauerfeier im aus derselben Reihe stammenden „Call of Duty: Advanced Warfare“. Nachdem der durch Motion Capture virtualisierte Kevin Spacey seine vom patriotischen Pathos getragene Abschiedsgrüße an den gefallenen Kameraden richtet, ist es im Anschluss an der oder dem Spielenden, ebenfalls die letzte Ehre zu erweisen. Getragenen Schrittes nähert man sich dem Sarg, wo die Spielanweisung aufleuchtet, die Taste „F“ zu drücken, um dem Helden Respekt zu zollen.
Wenn diese ästhetische Verwirrung im besten Fall komisch, im schlechtesten Fall zum Fremdschämen wirkt, dann steckt darin aber vor allem der hilflose Versuch, dem Erzählten eine Würde zu verleihen, die die Funktion des Videospiels als Massenprodukt ein wenig verschleiert. Nun würde jedoch niemand dem kleinen Bruder Programmkino einen Vorwurf daraus machen, dass der extrovertierte Bruder Hollywood auch mit mittelmäßiger Ästhetik auf Ticketfang geht. Das Programmkino basiert schlicht auf einer anderen Logik der Verbreitung, auf Prestige, auf künstlerischer Vision und nicht zuletzt auf elitären Identifikationsprozessen. All das existiert auch in der Welt der Videospiele, das Programmspiel muss dabei jedoch gegen Widrigkeiten ankämpfen, die dem Film nicht innewohnen.
Was bedeutet es in der Spieleentwicklung unabhängig zu sein?
Der kurze Dokumentationsfilm "BEING INDIE" von Dustin Hasberg (2015) hat einige kleinere Studios besucht und so einen kleinen Einblick in die Entwicklerwelt in Deutschland geschaffen.