Hinführung zum Thema
Weltweit spielen laut dem Global Games Market Report von 2019 ca. 2,5 Milliarden Menschen Online-Spiele, Videospiele oder Computerspiele. In Deutschland spielen ca. 34 Millionen Menschen. Knapp die Hälfte aller spielenden Menschen weltweit und somit auch in Deutschland sind Frauen, auch wenn die Varianz des Anteils weiblicher Spielerinnen in den verschiedenen Spiele-Genres sehr groß ist. Obwohl also Frauen, genauso wie Männer, die Hälfte der Gaming-Community abbilden, ist ihre Spieleerfahrung meist eine völlig andere dahingehend, wie sie in der Community behandelt werden und wie sie sich in Videospielen repräsentiert sehen.
Dieser Themenblock beschäftigt sich folglich mit dem Thema 'Sexismus im Gaming', wobei gleichzeitig natürlich auch andere Diskriminierungsformen in der Gaming-Szene existieren. Sexismus meint im Allgemeinen jegliche Form von unbewusster und bewusster Diskriminierung auf der Basis des Geschlechts, vor allem auf Basis des weiblichen Geschlechts. Dabei lassen sich im Bereich des Gamings vor allem zwei Bereiche genauer anschauen: Die Darstellung von Frauen in Computer- und Videospielen selbst, sowie das Verhalten gegenüber Frauen in der Gaming Community und der Gaming Industrie.
Wenn man sich in verschiedenen Bereichen die Problematik des Sexismus anschaut, ist es immer wichtig, den Blick nicht nur auf Betroffene zu lenken, sondern auch zu spiegeln, von wem die diskriminierenden Handlungen ausgehen und welches System diese Handlungen zulässt, entstehen lässt und vielleicht sogar fördert. Dieser Themenblock versucht folglich, in beide Richtungen zu blicken. Gleichzeitig ist wichtig zu betonen, dass dieser Themenblock nur einen Anriss auf das Thema bieten kann und nicht den Anspruch verfolgt, das Thema in einer Gesamtheit darzustellen.
Sexismus als gesamtgesellschaftliches Phänomen/Problem
Die Gaming-Community ist - wie jede andere Interessensgruppe - auch Teil der Gesamtgesellschaft. Als Teil dieser Gesamtgesellschaft lassen sich in der Gaming-Community ebenso diejenigen Phänomene beobachten, die es auch in der Gesamtgesellschaft gibt. Keine Community in Deutschland existiert im Vakuum. Sie werden von der Gesamtgesellschaft beeinflusst und beeinflussen auch wieder die Gesamtgesellschaft. Dieser Hintergedanke ist wichtig, um diverse Diskriminierungsformen im Bereich des Gamings richtig zu verstehen und einzuordnen.
Dass Sexismus im Gaming ein Problem darstellt, lässt sich recht schnell erkennen. So scheinen Frauenfiguren in Spielen selten Protagonistinnenrollen zuzufallen und abseits der 'Jungfrau in Nöten' oder der knapp bekleideten Kämpferin mit riesiger Oberweite und enger Taille bleibt weiblichen Charakteren oft nur eine wenig nuancierte und realistische Darstellung. 2014 wurde dann mit dem sog. Gamergate, einer Belästigungs-Kampagne gegen Frauen in der Videospielindustrie, der Sexismus in der Community und Industrie selbst sehr offensichtlich. Beides wird auf den Unterseiten weiter ausgeführt.
Wo kommt das alles her?
Existierende sexistische Strukturen lassen sich zum Teil dadurch erklären, dass weibliche Perspektiven in der Vergangenheit aktiv exkludiert und ausgelassen wurden und somit die männliche Perspektive als 'normal' und neutral gesehen wurde und wird. Wenn man sich die Anfänge der Videospielindustrie anschaut, bekommt man jedoch ein etwas anderes Bild gezeichnet.
Der Beginn der Videospielindustrie lässt sich recht genau in das Jahr 1972 legen, mit dem Erfolg des Spiels 'Pong' (eine Art digitales Tischtennis) und der Gründung der Firma 'Atari'. Obwohl schon davor Spiele entwickelt wurden (u.a. Pong vom eigentlichen Erfinder Ralph Baer), markierte die Vermarktung von Pong durch Atari den Beginn des Videospielzeitalters. Es ist wichtig zu verstehen, dass die IT-Branche in den 1970er Jahren eine extrem männerdominierte Branche war, und somit auch sämtliche Menschen in Machtpositionen weiße Männer waren. Dennoch wurden in den 1970er und frühen 1980er Jahren Videospiele als Erlebnis für die ganze Familie beworben und sprachen damit sowohl Jungen, als auch Mädchen an.
Die erste weibliche Game-Designerin bei Atari, Carol Shaw, sagte selbst in einem Interview, dass Atari bei der Spieleentwicklung nicht an eine bestimmte Zielgruppe gedacht hatte, sondern einfach nur Spiele designt haben, die Spaß machen könnten. Das änderte sich 1983 mit dem Video Game Crash - der übersättigte und unkontrollierte Markt der Videospiele brach an den Börsen zusammen. Dass die Videospielindustrie nicht völlig zum Erliegen kam, lag vor allem am Videospielhersteller Nintendo. Dieser führte Qualitätskontrollen ein und bewarb Konsolen und Spiele fortan explizit für Jungen, weil diese ersten Marktzahlen zufolge die Mehrheit unter den Spielefans bildeten. Diese Umorientierung ergab zwar aus Marketingsicht Sinn, da so Ressourcen zielgerichteter eingesetzt werden konnten, jedoch hat sie bis heute ausreichende Folgen, da sich dieser Werbestrategie fortan alle großen Videospielentwickler anschlossen.
Zugespitzt lässt sich die daran anschließende sexistische Entwicklung und der heute immer noch dominante Status Quo der Industrie mit dem Werbespruch des 1998 erschienenen Spots zu "The Legend of Zelda: Ocarina of Time" zusammenfassen: "Wirst du am Ende das Mädchen abbekommen - oder wie eines spielen?"