Wie in der Hinführung bereits erwähnt, sind von den ca. 34 Millionen Menschen, die in Deutschland als Gamerinnen und Gamer zählen, 16,5 Millionen Frauen. Zahlreiche Studien haben versucht, das Ausmaß von sexualisierter Belästigung in Online-Games sichtbar zu machen, die Zahlen unterscheiden sich hier jedoch von Studie zu Studie. Während manche Studien davon ausgehen, dass 2 von 3 aller Spielerinnen und Spieler in Online-Games schon mal belästigt wurden, gehen andere von einer Ratio von 1 von 2 aller Spielerinnen und Spieler aus. Klar ist jedoch, dass es keine Einzelphänomene sind und hier ein großes systematisches Problem vorliegt. Recht humorvoll zeigt die Gamerin 'Spawntaneous' in der Videoreihe 'OMG a Girl' ihre Spieleerfahrung als weibliche Gamerin - und diese ist deutlich geprägt von täglichen geschlechtsspezifischen Kommentaren und Belästigung. Die Reihe wurde im April 2018 gestartet und es werden immer noch Videos in der Reihe hinzugefügt, wobei Spawntaneous selbst dazu meint: 'Ich kann nicht glauben, dass ich immer noch Material für weitere Videos habe'. Die Videos der 'OMG a Girl'-Serie, sowie zahlreiche Studien zeigen aber, dass Belästigung bei Online-Games zahlreiche Facetten hat - von scheinbar harmloseren 'Frauen in der Küche'-Witzen über grobe Dating- und Sexualanfragen bis hin zu 'Ich finde, dass Frauen keine Rechte haben sollten'-Aussagen variiert die Belästigung stark. Deutlich ist aber, dass diese Belästigung in Online-Games konstant ist. Dieser Umstand verzerrt auch Statistiken, die den Anteil weiblicher Gamerinnen nach Genre aufschlüsseln wollen. So kommt eine Studie von Quantic Foundry z.B. zu dem Ergebnis, dass lediglich 4% aller taktischen Shooter-Spieler oder nur 6% aller Ego-Shooter Spieler Frauen sind. Die Argumentation, dass Frauen nun mal keine Gewalt mögen und deswegen 'biologisch' nicht für solche Spiele geeignet sind, kann hier durchaus zu kurz greifen. Viele der genannten Spielegenres werden online gegen Fremde gespielt - weil hier die Belästigungsgefahr groß ist, steigen Frauen oft früh wieder aus dem Genre aus oder trauen sich erst gar nicht, ihr Mikrofon anzumachen.
GamerGate
Am sichtbarsten wurde die Online-Belästigung und Online-Gewalt gegen Frauen 2014 im sog. GamerGate, einer Online-Belästigungs-Kampagne gegen Frauen in der Videospielindustrie. Losgetreten wurde diese wegen eines reißerischen Blogeintrags des Ex-Freundes der Spieleentwicklerin Zoe Quinn, der sie in diesem Blogeintrag der unlauteren Mittel in der Spielevermarktung bezichtigte. In einer historisch beispiellosen Bewegung, die hauptsächlich über Foren wie 4chan, reddit und Twitter stattfand, wurden Zoe Quinn und sich solidarisierende Frauen wie die Spielentwicklerin Brianna Wu und die feministische Medienkritikerin Anita Sarkeesian mit ungeheurer Wucht online angegriffen. Die Frauen erhielten Mord- und Vergewaltigungsdrohungen und wurden Opfer von Doxxing - d. h., dass personenbasierte Daten, wie z.B. die Privatadresse oder die Sozialversicherungsnummer, zusammengetragen und veröffentlicht wurden. Die drei Frauen mussten z.T. ihre Wohnungen verlassen und standen lange unter schwerstem Polizeischutz. Ein Vortrag von Anita Sarkeesian in Utah musste sogar abgesagt werden, weil mehrere glaubhafte Drohungen für ein Massaker eingegangen sind.
Neben dieser offenen und kruden Online-Belästigung, übten die GamerGate-Teilnehmenden auch Druck auf Blogs aus, die kritisch über die Bewegung berichteten. Als Resultat davon zog z.B. der Chiphersteller Intel seine Werbung von der Computerspielseite 'Gamasutra' zurück. Viele der führenden Köpfe der GamerGate Kampagne agieren heute in der rechtsextremen Alt-Right Bewegung der USA. Eine mögliche Erklärung für die heftigen Ausschläge der GamerGate-Kampagne lässt sich daran finden, dass Videospiele seit 1983 als rein männlicher Raum geframt und beworben wurden. Viele männliche Gamer sahen ihre Identität durch die aufkommenden Diskussionen um Diversität bedroht und haben sich deswegen so vehement an Hetze und Verleumdung beteiligt. Bis heute müssen Spieleunternehmen mit GamerGate-Anfeindungen rechnen, wenn sie weiblichen Figuren in ihren Spielen prominentere Rollen zuweisen.
E-Games
Das Framing von Gaming als einen rein männlichen Raum führt auch zu Auswirkungen in der eGames-Branche. Während diese Branche extrem boomt, sind auch weibliche eGamerinnen extrem selten und bei Turnieren stark unterrepräsentiert. Der Grund hierfür liegt wohl auch darin, dass es weniger Professionalisierungsmöglichkeiten für Frauen gibt wegen ebenjener exklusiver Verhaltensweise und dem toxischen Verhalten in Online-Games. Als ersten, notwendigen Schritt gibt es mittlerweile reine Frauenturniere, wie z.B. das Girl Gamer eSports Festival, um Frauen und Mädchen die Möglichkeit zu geben, sich in kompetitiven Spielen zu messen und zu professionalisieren und gleichzeitig vor sexistischen Angriffen geschützt zu sein.
Lösungen und Ausblick
Die weitflächige Belästigung und Hetze gegenüber Frauen als natürlichen Teil der Gaming-Kultur hinzunehmen, ist wohl zu kurz gegriffen und beraubt auch männlichen Spielern der Handlungsmacht, selbst aktiv gegen Sexismus in der Community vorzugehen. In den meisten Online-Spielen gibt es bereits die Möglichkeit, andere Spieler zu melden - hier dauert es aber meist eine Weile, bis eine Reaktion kommt. Strengere Regeln und mehr Kontrollen in den Chats und auf den Spieleplattformen würden sicherlich einen ersten Effekt bringen. Allerdings ist hier der Prüfaufwand extrem hoch und kaum zu stemmen. Manche Entwicklungsstudios arbeiten mittlerweile mit Belohnung für gutes Verhalten statt mit Bestrafung für schlechtes Verhalten. Erste empirische Studien zeigen hier, dass dies bereits positive Auswirkungen hat. Verschiedene Diversitätsinitiativen wurden gegründet, die versuchen, Herstellende wie Konsumierende für Gaming zu sensibilisieren, damit keine diskriminierenden Inhalte mehr publiziert werden und entsprechende Äußerungen innerhalb der Spieleindustrie sowie innerhalb der Fangemeinschaften zu absoluten Ausnahmen werden. Auch Plattformen wie Twitch oder Youtube werden zunehmend von der Gaming-Community selbst aufgefordert, entsprechende Inhalte zu sanktionieren oder zu entfernen. Hier zeigt sich nur sehr langsam ein Bewusstseinswandel, da die Meinungsfreiheit dort im Sinne der amerikanischen Verfassung extrem breit ausgelegt wird, was für deutsche Verhältnisse oftmals ungewohnt scheint. Letztlich muss jedoch klar sein - auch wenn ein paar plattform-spezifische Änderungen zu einer Besserung der Sexismus-Kampagnen führen, so ist Sexismus doch ein gesellschaftliches Problem, das im Gesamten betrachtet und gelöst werden muss.