Der Begriff „Demokratie“ meint übersetzt „Herrschaft des Volkes“. Heute wird darunter die liberal-parlamentarische Demokratie verstanden, welche auf Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung, individuellen Grundrechten, freien Wahlen, einer aktiven Zivilgesellschaft sowie einer regulierten Marktwirtschaft aufbaut. Doch diese Form der Demokratie ist keine historische Selbstverständlichkeit und bildete sich erst über einen langen Zeitraum heraus.
Die Geburt der Volksherrschaft – Versammlungsdemokratie im griechischen Stadtstaat
Die ersten analytischen Betrachtungen über Politik und den Aufbau des Staates finden sich bei Platon und dessen Schüler Aristoteles. Während sich Platon, verkürzt ausgedrückt, als Fürsprecher einer Herrschaft der Experten ausspricht, entwickelt Aristoteles bereits ein frühes Modell der Beteiligung aller Bürger am politischen Alltag – womit in der antiken Vorstellung des Gemeinwesens aber nur freie Männer über 21 Jahren gemeint waren. Da Frauen und Sklaven grundsätzlich und Fremden in den allermeisten Fällen keine Mitsprache eingeräumt wurde, regierte also auch in der antiken Form der Demokratie faktisch eine Minderheit die Mehrheit der Menschen. Schätzungen gehen von etwa 25% der Einwohnerinnen und Einwohner des Stadtstaats aus, welche in dieser Form Staatsbürgerschaft genossen, in der Blütezeit betrug die Zahl der männlichen Vollbürger vermutlich etwa 35.000 Menschen.
Aber selbst in dieser eingeschränkten Bürgerschaft hatten in der antiken „Versammlungsdemokratie“ nicht alle Bürger den gleichen Einfluss. Abgestimmt wurde in Volksversammlungen in der Regel nur über größere, richtungsweisende Fragen, die Verwaltung und Umsetzung der Politik bestellte hauptsächlich der Adel. Die Volksversammlungen im Athen des 6.-4. Jahrhunderts vor Christus trugen zudem eher den Charakter von Podiumsdiskussionen, in denen gut ausgebildete, in der Regel adlige Redner versuchten, durch gekonnte Rhetorik die Menge für ihre Seite zu gewinnen. Das bessere Argument rückte dabei nicht selten in den Schatten der charismatischen Rede, ein Charaktermerkmal, welches die Demokratie von Beginn an bis heute begleitet.
Die Voraussetzungen für diese Form der attischen Versammlungsdemokratie waren jedoch vielschichtig, was zum Teil erklärt, warum diese frühe Form der Volksherrschaft nicht lange nach ihrer Entstehung wieder autoritären Formen der Herrschaft weichen musste. So verzeichnete das Athen des 6. Jahrhunderts vor Christus einen großen Wohlstand, welcher einerseits auf die Schlüsselstellung der Stadt im Handelsnetz zwischen Mittelmeerraum und Asien, hauptsächlich aber auf der Ausbeutung zahlreicher Sklavinnen und Sklaven basierte. Darüber hinaus funktionierte die attische Demokratie ausschließlich in den Grenzen des Stadtstaates, da hier jeder sowohl räumlich als auch personell einen Überblick behalten konnte – übertragen in moderne Sprache waren unter diesen Umständen nationale Fragen also identisch mit der Kommunalpolitik einer Kleinstadt. Zudem waren die bereits angesprochenen etwa 35.000 Bürger grundsätzlich in der Lage, sich an einem Ort zu versammeln und bei guter Organisation und damals schon gegebenen technischen Möglichkeiten miteinander in größtenteils strukturierte Debatten einzutreten. Zieht man die Möglichkeit zu Rate, dass sich in aller Regel nur ein Teil der Stimmberechtigten zu den Versammlungen einfand, so erscheint es in der Tat plausibel, dass auf dem zentralen Versammlungsplatz, der Agora, mehrere Tausend Menschen ihre Meinung kundtaten, indem sie den herausgestellten Rednern durch zustimmende oder ablehnende Sprechchöre Unterstützung zukommen ließen oder versagten, hin und wieder mit inhaltlichen Zwischenrufen Themen platzierten und sich vereinzelt selbst auf die Bühne wagten.
Die Neuentdeckung der Demokratie im Zeitalter der Aufklärung
Verschiedene Entwicklungen, unter anderem das Aufkommen monotheistischer Religionen, brachten in den folgenden Jahrhunderten zunächst politische Systeme hervor, in denen wieder einzelne Menschen auf Basis der Idee herrschten, dass die gesellschaftliche Ordnung auf Gottes Wille basiere und damit unveränderlich sei. Im Zuge der Epoche der Aufklärung verankerte sich jedoch zunehmend die Vorstellung in der Gesellschaft, dass alle Menschen vernunftbegabt seien und daher auch über die Gestaltung der öffentlichen Dinge Mitsprache erhalten sollten. Herrschaft war nun nicht länger naturgegeben, Missstände wurden nicht länger einfach hingenommen.
Weil es neuer Begründungen für die Legitimation von Herrschaft bedurfte, erhielten die sogenannten „Vertragstheorien“ eine immer größere Anhängerschaft. Dabei handelt es sich um Analysen darüber, wie überhaupt rechtfertigt werden kann, dass einige Menschen über andere Macht und Befehlsgewalt haben. Sie kamen zu dem Schluss, dass es der Herrschaft grundsätzlich bedarf, aber nicht, weil dies natürlich und gottgewollt sei, sondern weil Menschen nur im Zusammenschluss zu einer Gesellschaft Freiheit erleben können, wenn die Regeln der Gesellschaft allen eine Teilnahme ermöglichen. Die Vorstellung endet darin, dass Menschen immer wieder einen Vertrag abschließen, der Regeln enthält, wie man gemeinsam zu Entscheidungen kommt. Die Zustimmung eines jeden Einzelnen wird also zur notwendigen Bedingung der Gesellschaft – zumindest im Gedankenexperiment der Vertragstheoretiker.
Was zunächst wie eine philosophische Übung anmutet, zeitigte im 18. Jahrhundert explosive Wirkung: Immer mehr Menschen, vor allem das durch die frühe Industrialisierung aufstrebende Besitzbürgertum, lehnten die Rolle des Untertanen ab, der aus Gottesfurcht dem monarchistischen Herrscher folgt. Stattdessen forderten sie drei Prinzipien immer vehementer ein – Bürgerrechte, die die einzelne Person vor staatlichen Übergriffen schützen sowie das Prinzip der Volkssouveränität, wonach alle Bürger an der Entstehung und dem Vollzug von Gesetzen beteiligt sind und schließlich Verfassungen, die diese Prinzipien mit dem oben beschriebenen Gedanken eines gemeinsamen Vertrags verbinden.
Diese Forderungen führten letztlich zu bürgerlichen Revolutionen in ganz Europa und den gerade entstehenden USA, wobei die wirkmächtigste Umwälzung 1789 in Frankreich zu beobachten war. Die „Grande Révolution“ verlief zunächst anders als erhofft, da sich der amtierende Monarch Ludwig XVI. zwar grundsätzlich offen für Reformen präsentierte, jedoch verschiedene Maßnahmen unternahm, um seine Rolle als Alleinherrscher abzusichern. Die Revolutionäre radikalisierten sich daraufhin zunehmend, bis sich mit der Gruppe der „Jakobiner“ ein Terrorregime an die Spitze setzte, welches durch systematische Massenhinrichtungen im Namen der Gleichheit Züge einer totalitären Diktatur aufwies.
Als diese Schreckensherrschaft erneut von einem Monarchen abgelöst wurde, konnte dieser die Entwicklung hin zur Demokratie jedoch nicht mehr rückgängig machen – die Erklärung der Menschenrechte, die Anfertigung einer Verfassung mit allgemeinen Bürgerrechten, die Idee der Republik, in der Staat und Kirche getrennt sind: Obwohl diese Errungenschaften mit der Welle der Restauration in ganz Europa zurückgedrängt wurden, blieben sie dauerhaft in der Ideengeschichte verankert.
Massendemokratie zwischen Kommunismus und Faschismus
Im Verlauf des 19. Und 20. Jahrhunderts war es gelungen, die europäischen Monarchien durch Republiken abzulösen oder in eine rein repräsentative Rolle zu verweisen. Die liberale Demokratie stand nun jedoch von anderer Seite unter Druck: Im Zuge der Industrialisierung zeigte sich, dass das erblühende Wirtschaftssystem des Kapitalismus zwar grundsätzlich eine Explosion des Wohlstands hervorzubringen vermochte, diesen aber vorerst sehr ungleich verteilte. Von Seiten der Arbeiterschaft entstanden daher zunehmende Proteste, deren Vorwurf sich auf die marxistische Theorie stützte.
Demnach seien die bürgerlichen Revolutionen zur Abschaffung der gottgewollten Feudalherrschaft zwar notwendig gewesen, hätten aber Freiheit und Gleichheit nur bestimmten Teilen der Bevölkerung, nämlich dem liberalen Besitzbürgertum gebracht. Damit alle Menschen die gleiche Teilhabe am politischen System haben könnten, bedürfe es des Kampfes der arbeitenden Schicht gegen das Besitzbürgertum. Uneins waren sich die Anhänger dieser Strömung über die Radikalität der zu ergreifenden Maßnahmen. Während ein Teil das liberal-demokratische System grundsätzlich ablehnte und eine kommunistische Revolution anstrebte, bekannte sich der andere Teil zur parlamentarischen Demokratie und bildete mit der Sozialdemokratie eine demokratische Strömung, welche den Parlamentarismus stabilisierte.
Während Sozialismus und Liberalismus auf diese Weise also eine Art Kompromiss eingingen, so war dies in Bezug auf den aufkommenden Faschismus der 1920er Jahre undenkbar. Dieser reklamierte für sich zwar ebenfalls, demokratisch zu sein, verband dies aber in der Realität mit dem Prinzip des absoluten Gehorsams gegenüber einer Führerfigur und dem massenhaften Ausschluss vieler Menschengruppen aus dem politischen Raum. Die faschistische Ideologie richtete sich grundsätzlich gegen jede Form des Parlamentarismus, ordnete das Prinzip von Volksvertretern, welche in Wahlen ermittelt werden, als dekadent und die Vorstellung von Kompromissen, die zwischen verschiedenen Interessen getroffen werden, als Schwäche ein. Diese Form der Diktatur erfasste im Anschluss an die Weltwirtschaftskrise der 1920er Jahre mehrere europäische Staaten und führte mit der totalitären Ideologie des Nationalsozialismus schließlich zur systematischen Ermordung eines Großteils der im deutschen Besatzungsgebiet befindlichen Juden und zahlreichen weiteren Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Bonner Republik – das Grundgesetz stellt den liberalen Parlamentarismus auf Dauer
Als mit der Kapitulation der Wehrmacht im Jahr 1945 auch der faschistisch organisierte Staat kollabierte, entwickelte der Parlamentarische Rat mit dem Grundgesetz eine Verfassung, welche aus Deutschland erneut einen demokratischen Staat formen sollte. Die Erfahrungen aus dem Scheitern der Weimarer Republik flossen dabei in die neue Verfassung ein. So schreibt Artikel 20 GG, welcher auch als „kleines Grundgesetz“ bezeichnet wird, vor:
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
Artikel 20 GG
Gerade in Absatz 1, der die sogenannten Staatszielbestimmungen enthält, wird die Ordnung der liberal-parlamentarischen Demokratie für alle zukünftigen Zeiten festgelegt. Absatz 2 verlangt mit Bezug auf das Prinzip der Volkssouveränität Wahlen und Gewaltenteilung, während Absatz 3 das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit festsetzt. Obwohl eine Verfassungsänderung an anderen Stellen grundsätzlich möglich ist, lässt sich Artikel 20 GG nicht mehr zurücknehmen, er ist mit der sogenannten „Ewigkeitsklausel“ unter Art. 79 Abs. 3 GG geschützt:
(3) Eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig.
Art. 79 Abs. 3 GG
Das Grundgesetz, dem auch die neuen Bundesländer im Anschluss an die Friedliche Revolution beigetreten sind, sieht also für Deutschland dauerhaft eine liberal-parlamentarische Demokratie vor.