Das Europäische Parlament (EP) ist neben der Europäischen Kommission das zweite supranationale Organ der EU. Es besteht seit dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU im Jahr 2020 aus 705 Abgeordneten, die aus ihren Reihen einen Parlamentspräsidenten wählen. Für den Eintritt des "Brexits" wurde bereits im Juni 2018 eine neue Sitzverteilung beschlossen. Demnach wurde das Europäische Parlament verkleinert (vorher 751 Abgeordnete), ohne dass Mitgliedstaaten Sitze verlieren. Einige Staaten gewannen durch das Ausscheiden Großbritanniens hingegen noch Sitze, einige der freigewordenen Sitze werden für mögliche Erweiterungen der EU in Zukunft als „Reserve“ vorgehalten. Die Europaabgeordneten werden seit 1979 direkt von den Bürgerinnen und Bürgern der Gemeinschaft für fünf Jahre gewählt. Der Präsident des EP wird für jeweils 2,5 Jahre gewählt; seit 2022 hat die maltesische Politikerin Roberta Metsola (Partit Nazzjonalista) dieses Amt inne. Die Europaabgeordneten haben sich zu sieben transnationalen Fraktionen zusammengeschlossen, 29 Abgeordnete gehören keiner Fraktion an.
Die Europäische Union besteht aus verschiedenen Institutionen, welche dazu dienen sollen, einen Ausgleich zwischen den Interessen der Bürgerinnen und Bürger aller Mitgliedstaaten zu finden. Dabei gibt es im Wesentlichen zwei Logiken, nach denen diese Institutionen Beschlüsse treffen können: Intergouvernemental (von lat. „inter“ – „zwischen“, also zwischen den Regierungen ausgehandelt) oder supranational (von lat. „supra“ – „über“, also über den Nationen stehend).
Intergouvernemental: Hiermit sind die Institutionen gemeint, in denen die Sachfragen von den Mitgliedern der Regierungen der Mitgliedstaaten beschlossen werden. Das betrifft vor allem den Europäischen Rat („Gipfel der Staats- und Regierungschefs“) und den Rat der Europäischen Union („Ministerrat“). Die hier angewandte Logik entspricht der einer Verständigung zwischen den Staaten. Das hat den Vorteil, dass die einzelnen Mitgliedstaaten mehr Kontrolle über die Entscheidungen behalten und auf diese Weise weniger Souveränität abgeben müssen. Allerdings führt dies auch dazu, dass die nationalen Interessen im Vordergrund stehen und sich die Entscheidungsfindung mitunter langwierig gestaltet. Nach dieser Logik entstehende Kompromisse führen zudem unter Umständen zu ineffizienten Lösungen, da die Interessen der Nationalstaaten und die jeweilige (symbolische) Innenpolitik ein höheres Gewicht einnehmen können als die Tauglichkeit der Lösung.
Supranational: Die Institutionen, die nach supranationaler Logik entscheiden, wurden zwar ursprünglich ebenfalls von den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten eingerichtet, handeln aber seit diesem Zeitpunkt unabhängig und stehen über den Mitgliedstaaten. Dies hat den Vorteil, dass die Mitglieder dieser Institutionen nicht den Regierungen der Mitgliedstaaten, sondern nur den Bürgerinnen und Bürgern der Europäischen Union gegenüber rechenschaftspflichtig sind, von welchen sie auch – vor allem im Fall des Europäischen Parlaments – legitimiert werden. Nach dieser Logik handelt vor allem das Europäische Parlament, die Europäische Kommission und der Europäische Gerichtshof. Supranationale Institutionen müssen weniger Rücksicht auf die Interessenlage der Mitgliedstaaten nehmen und können unter Umständen schneller bindende Entscheidungen treffen, welche die Mitgliedstaaten aus eigener Kraft nicht als Kompromiss erreicht hätten, obwohl sie der gesamten Union langfristig zu Gute kommen. Dies hat allerdings zur Voraussetzung, dass die Mitgliedstaaten bereit sind, Souveränität abzugeben und den Aufbau eines „Staates über den Staaten“ zu unterstützen. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage nach der Legitimation dieser Institutionen und ob diese ab einem gewissen Grad der Kompetenzanhäufung eine eigene, europäische Verfassung als Grundlage benötigen.
Die Europäische Union ist ein Mischsystem, in welchem sich einflussreiche intergouvernementale wie auch beharrliche supranationale Einrichtungen beobachten lassen, welche nicht selten auch miteinander konkurrieren. Diese Form der staatlichen Zusammenarbeit ist weltweit einzigartig, ein vergleichbares System lässt sich nirgendwo finden.
Quelle: Europäisches Parlament; http://www.europarl.europa.eu/news/de/headlines/eu-affairs/20180126STO94114/europawahl-2019-wie-viele-abgeordnete-pro-land
Wie entstehen europäische Gesetze?
Europäische Gesetze können in verschiedenen Formen verabschiedet werden, vor allem aber als Richtlinien und Verordnungen. Richtlinien stellen nach der Verabschiedung noch nicht direkt geltendes Recht dar, es handelt sich eher um eine verbindliche Anweisung an die nationalen Parlamente, innerhalb einer bestimmten Frist ein Gesetz zu verabschieden, welches den Inhalt der Richtlinie umsetzt. Dabei verfügen die nationalen Parlamente nicht selten über erheblichen Interpretationsspielraum, um den Inhalt an die vor Ort herrschenden Bedingungen anzupassen. Verordnungen hingegen treten direkt in Kraft und haben somit unmittelbare Gültigkeit in den Mitgliedsstaaten.
Beim Verabschieden von Gesetzen ist das Europäische Parlament vor allem auf zwei andere Institutionen angewiesen: Auf die Europäische Kommission sowie den Ministerrat. Initiiert, also eingebracht, werden Entwürfe immer von der Kommission, welche den Vorschlag zuerst in das Parlament gibt. Ein wesentlicher Unterschied zum Gesetzgebungsprozess in Deutschland ist dabei das System der „Berichterstatter“. Sobald die Vorlage aus der Kommission in das Parlament gelangt, wird diese (zunächst ähnlich wie in deutschen Parlamenten) im entsprechenden Fachausschuss behandelt. Dieser ernennt daraufhin einen Abgeordneten zum Berichterstatter, welcher auch nicht selten aus einer der kleinen Fraktionen stammt. Die Aufgabe des Berichterstatters liegt darin, den Gang des Gesetzes durch das Parlament zu begleiten und die verschiedenen Haltungen der Fraktionen in den Gesetzestext einfließen zu lassen. Ihm kommt dabei eine einflussreiche Rolle zu, da sich sowohl die mediale Öffentlichkeit als auch Interessenvertreter und andere politische Akteure mit ihren Änderungswünschen an den Berichterstatter wenden, welcher diese Interessen auszugleichen versucht. Aus diesem Grund ernennen die übrigen Fraktionen sogenannte „Schattenberichterstatter“, welche mit dem ernannten Berichterstatter in dauerhaftem, interfraktionellem Austausch stehen.
Wird das Gesetz im Europäischen Parlament gebilligt, so wird es dem Ministerrat zugeleitet. Ist dieser mit der Vorlage einverstanden, so wird sie als Gesetz erlassen. Stimmt der Ministerrat der Vorlage nicht zu, so ändert er sie ab und gibt sie erneut in das Parlament, wodurch derselbe Ablauf in einer zweiten Runde wiederholt wird. Kommt es danach erneut zu keiner Einigung, so wird die Vorlage in das „Trilog“-Verfahren übergeben, einen Vermittlungsausschuss zwischen Parlament, Kommission und Ministerrat.
Vom demokratischen Feigenblatt zum Zentrum der europäischen Demokratie?
Im Laufe seiner Geschichte konnte das EP einen kontinuierlichen Bedeutungszuwachs verzeichnen, dennoch sind seine Funktionen mit denen der nationalen Parlamente in den Mitgliedstaaten noch nicht vergleichbar: Bei etwa 75 Prozent der europäischen Gesetzgebung hat das EP heute gleichberechtigte Entscheidungskompetenzen wie der Ministerrat. Allerdings fehlt ihm im Bereich der Legislative die Befugnis zu verbindlichen und alleinigen Entscheidungen ebenso wie das Initiativrecht, welches der Kommission vorbehalten ist. Dennoch erfüllt das Europäische Parlament inzwischen wichtige Funktionen.
Von erheblicher politischer Relevanz ist so beispielsweise die Wahlfunktion des EP im Hinblick auf die Exekutive der Gemeinschaft, wird doch die Zusammensetzung der Kommission entscheidend vom Parlament geprägt. Seit 2014 ernennen die europäischen Parteienfamilien Spitzenkandidaten für die Wahl, welche, ähnlich wie in Deutschland um die Kanzlerschaft, um das höchste Exekutivamt der EU konkurrieren. Das Amt des Präsidenten der Europäischen Kommission soll in der Folge von dem Spitzenkandidaten besetzt werden, welcher im Parlament eine Mehrheit hinter sich versammeln kann. Zwar sehen die Europäischen Verträge vor, dass der Europäische Rat (Gipfel der Staats- und Regierungschefs) den Kandidaten für das Amt des Kommissionspräsidenten ernennt, gewählt werden muss dieser jedoch mit einer Mehrheit im Europäischen Parlament. Obwohl die Abgeordneten sich fraktionsübergreifend darauf geeinigt haben, nach dem Prinzip der Spitzenkandidaten zu verfahren, wurde im Jahr 2019 mit Ursula von der Leyen (EVP) eine Person zur Kommissionspräsidentin gewählt, welche nicht vorher als Spitzenkandidatin angetreten war.
Darüber hinaus entscheidet das Parlament über die personelle Zusammensetzung der Kommission, indem es Anhörungen der Kandidaten für die Kommission durchführt und im Falle eines negativen Urteils über den Bewerber auch die Kommission als Ganze ablehnen kann. Durch ein Misstrauensvotum kann das EP die Kommission zum Rücktritt zwingen.
Die Kontrollfunktion, die das EP gegenüber der Exekutive ausübt, wird auch dadurch deutlich, dass Kommission und Ratspräsidentschaft dem Parlament in regelmäßigen Abständen Rechenschaft über ihre Arbeit ablegen. Das EP ist auch befugt, Anfragen an Kommission und Rat zu stellen und Untersuchungsausschüsse einzurichten.
Es verfügt darüber hinaus über einen Haushaltskontrollausschuss, der die Verwaltung des Haushaltes durch die Kommission kontrolliert. Gemeinsam mit dem Rat nimmt das EP im Haushaltsverfahren eine zentrale Rolle ein, es besitzt die Möglichkeit, den Gesamthaushalt der EU am Ende des Verfahrens komplett abzulehnen. Auch alle wesentlichen politischen Handlungen der EU wie Beitritte, Assoziierungen und Verträge mit Dritten bedürfen der Zustimmung des EP. Als einzige Gemeinschaftsinstitution, die öffentlich zusammentritt und berät, kommt dem EP auch die Aufgabe zu, die Bürger der Gemeinschaft über die Tätigkeit der EU zu informieren.
Achtung:
Detaillierte Ergebnisse gibt es auf der Webseite der Bundeswahlleiterin
Parteien | Europa 2024 (Bundestag 2021) | Europa 2019 (Bundestag 2017) | Europa 2014 (Bundestag 2013) | Europa 2009 (Bundestag 2005) | Europa 2004 (Bundestag 2002) | Europa 1999 (Bundestag 1998) |
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CDU/CSU | 30% (24,1%) | 28,9% (32,9%) | 35,3% (41,5%) | 37,9% (35,2%) | 44,5% (38,5%) | 48,7% (35,1 %) |
SPD | 13,9% (25,7%) | 15,8% (20,5%) | 27,3% (25,7%) | 20,8% (34,2%) | 21,5% (38,5%) | 30,7% (40,9%) |
GRÜNE | 11,9% (14,7%) | 20,5% (8,9%) | 10,7% (8,4%) | 12,1% (8,1%) | 11,9% (8,6%) | 6,4% (6,7%) |
DIE LINKE/PDS | 2,7% (4,9%) | 5,5% (9,2%) | 7,4% (8,6%) | 7,5% (8,7%) | 6,1% (4,0%) | 5,8% (5,1%) |
FDP | 5,2% (11,5%) | 5,4% (10,7%) | 3,4% (4,8%) | 11,0% (9,8%) | 6,1% (7,4%) | 3,0% (6,2%) |
AfD | 15,9% (10,3%) | 11,0% (12,6%) | 7,1 % (4,7 %) | - | - | - |
BSW | 6,2% (-) | - | - | - | - | - |
Freie Wähler | 2,7% (2,9%) | 2,2% (1%) | 1,5% | 1,7% (-) | - | - |
Volt | 2,6% (0,2%) | 0,7% (-) | - | - | - | - |
Die Partei | 1,9% | 2,4% (1%) | 0,6% (0,2%) | - | - | - |
Tierschutzpartei | 1,4% (0,3%) | 1,4% (0,8%) | 1,2% (0,3%) | 1,1% (0,2%) | 1,3% (0,3%) | - (0,3%) |
Wahlbeteiligung | 61,4% | 47,9 % | 43,3 % | 43,0 % | 45,2 % |