Rechte Gewalt und damit auch die Anzahl der von ihr Betroffenen hat im Jahr 2020 um 11 Prozent zugenommen. Während deutschlandweit 2019 986 Gewalttaten zu verzeichnen waren, stieg die Anzahl im Jahr 2020 auf 1092 rechte Gewalttaten. Dabei ist die Verteilung der Gewalt ist nicht überall gleich - in den ostdeutschen Bundesländern kommen rechte Gewalttaten öfter vor als in den westdeutschen. Mecklenburg-Vorpommern beispielsweise nahm im Jahr 2015 mit 5,9 Gewalttaten pro 100 000 Einwohnerinnen und Einwohnern den Spitzenplatz ein, gefolgt von Sachsen (5,3). In Hessen waren es 2015 nur 0,3 Gewalttaten und in Nordrhein-Westfalen 1,6.

Quellen:

In Sachsen und bundesweit greift man auf die sogenannte PMK-Statistik (Politisch motivierte Kriminalität) zurück, um rechte Gewalt in Wissenschaft und Praxis messbar zu machen. Die PMK trifft Aussagen über den Straftatbestand (zum Beispiel Körperverletzung oder Raub), über die politische Motivation der Täterin oder des Täters (rechts, links, religiös, ausländisch) und die Zielgruppe, die Opfer der Tat wurde (zum Beispiel Politische Mandatsträgerinnen und Mandatsträger, Menschen einer zugeordneten Herkunft oder Religion).

Als „politisch motivierte Gewaltkriminalität“ definiert die PMK:

  • Tötungsdelikte
  • Körperverletzungen
  • Brand- und Sprengstoffdelikte
  • Landfriedensbruch
  • Gefährliche Eingriffe in den Schiffs-, Luft-, Bahn- und Straßenverkehr
  • Freiheitsberaubung
  • Raub
  • Erpressung
  • Widerstandsdelikte
  • Sexualdelikte

Da es bei der PMK ein Dunkelfeld gibt - also Taten, die nicht angezeigt werden oder unentdeckt bleiben - hat die Statistik eine schwankende Informationsqualität. Auch Delikte die über die oben genannte Definition hinausgehen, wie etwa diskriminierende Beleidigungen, die Verwendung von rechtsextremen Symbolen, rassistische Diskriminierung oder Mobbing werden in der PMK nicht als „rechte Gewalt“ gemessen. Die Gewalttaten nach der PMK erfassen also nur einen Teil des Gesamtphänomens rechter Gewalt. Statistiken von Opferberatungsstellen wie die des RAA Sachsen e.V. können weitere wichtige Datenquellen sein, um das rechte Gefahrenpotenzial zusätzlich einzuschätzen.

Quellen:

Diese Grafik zeigt die Entwicklung von rechter und rechtsextremistischer Gewalt in Sachsen und in Deutschland im Zeitraum von 2001 bis 2019. Die Zahlen in Sachsen folgen dem Bundestrend und erreichen einen Höhepunkt in den Jahren 2015 und 2016, vor allem vor dem Hintergrund rassistischer und ausländerfeindlicher Angriffe auf Gemeinschaftsunterkünften von Geflüchteten. „Rechtsextremistische Gewalttaten“ ist eine Unterkategorie von „rechten Gewalttaten“. Bei rechtsextremistischen Gewalttaten verfolgen die Täterinnen und Täter das Ziel, die freiheitliche demokratische Grundordnung abzuschaffen. Diese Gewalttaten machen den größten Teil der rechten Gewalt aus. Wenn man rechte Gewalttaten im Zeitraum von 2001-2011 anhand der Bevölkerungsgröße misst, liegt Sachsen über dem Bundesdurchschnitt, in manchen Jahren sogar doppelt so hoch. Im Jahr 2015 wurden in Sachsen fast drei Mal so viel rechte Gewalttaten pro 100 000 Einwohnerinnen und Einwohner begangen wie im Bundesdurchschnitt.

Quellen:

  • Uwe Backes: Rechtsextreme und fremdenfeindliche Gewalt in Sachen. In: Steffen Kailitz: Rechtsextremismus und Rechtspopulismus in Sachsen. Dresden, 2021. Verfügbar als kostenlose PDF und in unserer Publikationsausgabe. 

Sachsen ist jedoch keine Ausnahme, wenn man die Gewalttaten der ostdeutschen Bundesländer miteinander vergleicht. Mecklenburg-Vorpommern nahm im Jahr 2015 mit 5,9 Gewalttaten pro 100 000 Einwohnerinnen und Einwohner den ersten Platz ein, gefolgt von Sachsen (5,3), Brandenburg (5,2) Sachsen-Anhalt (4,9), Thüringen (4,3), Berlin (4,1). In Hessen waren es 2015 nur 0,3 Gewalttaten und in Nordrhein-Westfalen 1,6. Der zahlenmäßige Unterschied besteht also nicht zwischen Sachsen und den restlichen Bundesländern, sondern v.a. zwischen den ost- und westdeutschen Bundesländern. Der geringe Bundesdurchschnitt von 1,8 resultiert aus den niedrigen Gewaltquoten der westlichen Bundesländer.

Die Struktur der Gewalt in Sachsen ist dabei ähnlich wie im Bund: Körperverletzungen kommen häufiger vor, während Raub, Erpressung oder Sprengstoffanschläge – Straftaten, die ein höheres Maß an Planung erfordern - seltener sind. In Sachsen wurde im Zeitraum von 2001-2011 mehr Landfriedensbruch und Konfrontationsgewalt gegen linke Gruppierungen und Sicherheitskräfte begangen als im Bundesdurchschnitt. Das ist vor allem auf die Demonstrationen der NPD (Nationaldemokratische Partei Deutschlands) unter Beteiligung von gewaltbereiten rechten Gruppen zurückzuführen. Diese Kundgebungen waren auch oft Anlass von rassistischer und ausländerfeindlicher Hassgewalt im Umfeld des Demonstrationsgeschehens. Seit dem Jahr 2015 hat die Hassgewalt, rassistische und antisemitische Straftaten in Sachsen besonders zugenommen. Die Täterinnen und Täter agierten meist in Gruppen (mehr als 70 Prozent der Taten in Gruppen) und standen unter Alkoholeinfluss. Nach 2015 wurden mehr rassistische und ausländerfeindliche Straftaten von Menschen begangen, die nicht in das typische Profil eines Rechtsextremisten oder Nationalsozialisten passen – Menschen, die den Sicherheitsbehörden vorher nicht aufgefallen sind.

Quellen:

  • Uwe Backes: Rechtsextreme und fremdenfeindliche Gewalt in Sachen. In: Steffen Kailitz: Rechtsextremismus und Rechtspopulismus in Sachsen. Dresden, 2021. Verfügbar als kostenlose PDF und in unserer Publikationsausgabe. 

Gewalt fängt schon bei verbaler und psychischer Gewalt an und muss keine körperliche Komponente haben, um als Straftat sanktioniert zu werden. In der PMK werden neben Körperverletzen u.a. auch Beleidigungen, Volksverhetzung und Hasskriminalität aufgeführt.

Als Hasskriminalität werden politisch motivierte Straftaten bezeichnet, die aufgrund von nachweisbaren Vorurteilen der Täterin oder des Täters hinsichtlich

  • Nationalität
  • ethnische Zugehörigkeit
  • Hautfarbe
  • Religionszugehörigkeit
  • sozialen Status
  • physische und/oder psychische Behinderung oder Beeinträchtigung
  • Geschlecht/sexuelle Identität
  • sexuelle Orientierung
  • äußeres Erscheinungsbild,

begangen werden. 

Die wenigsten Taten im Bereich Hasskriminalität sind körperlicher Natur. Im Jahr 2019 wurden 81 Prozent der Delikte im Bereich Hasskriminalität von rechten Täterinnen und Tätern begangen. Das Sächsische Ministerium des Innern stellt fest, dass Hasskriminalität sich in einem besonderen Maße negativ auf das Sicherheitsgefühl der Betroffenen, meist Persons of Colour und Menschen mit sichtbarem Migrationshintergrund auswirkt.

Die Polizeiliche Kriminalstatistik, von der die PMK eine Teilmenge ist, führt ein Register zu begangenen Straftaten im Bereich Hasskriminalität und die dahinterliegenden Motive. Im Jahr 2020 wurden in Sachsen nach der Polizeilichen Kriminalstatistik 578 Straftaten in diesem Bereich begangen, von denen 502 aus fremdenfeindlichen, 157 aus antisemitischen und 81 aus rassistischen Motiven begangen wurde sind. In Sachsen hatten rund die Hälfte der Täterinnen und Täter im Zeitraum von 2011-2016 keine nach außen sichtbare ideologische Nähe zum Nationalsozialismus oder waren Anhängerinnen oder Anhänger rechter Gruppen. Sie passen nicht mehr in das Bild des gewaltbereiten und in der Szene vernetzen Nazis mit Bomberjacke und Springerstiefeln, sondern waren bis zu ihrer Tat oft nicht auf dem Radar von Verfassungs- und Sicherheitsbehörden.

Quellen: