I.5 - Wer glaubt an Verschwörungstheorien?
Menschen glaubten schon immer an Verschwörungstheorien. Das wissen wir zum Beispiel aus der Antike, aus überlieferten Reden und anderen Formen der politischen Auseinandersetzung.
Pia Lamberty ist Sozialpsychologin und forscht an der Universität Mainz dazu, ob und inwiefern Verschwörungstheorien zur Radikalisierung von Menschen beitragen. Dazu veröffentlichte sie verschiedene Publikationen.
Auch heute geht Verschwörungsgläubigkeit quer durch die Gesellschaft. Im Jahr 2019 wurde Verschwörungsgläubigkeit erstmals wissenschaftlich untersucht. Welche Rolle das Geschlecht oder Alter von Menschen spielen, darüber besteht in der Wissenschaft keine eindeutige Position. Einige Studien deuten darauf hin, dass eher ältere, heterosexuelle Männer Verschwörungstheorien anhängen, weil deren traditionelle Rolle in der Gesellschaft gerade einem Wandel unterliegt. Andere Studien kommen zu dem Schluss, dass Geschlecht und Alter unerheblich sind.
Ein wichtiges Ergebnis all dieser Studien ist aber, dass Personen mit niedrigeren formellen Bildungsabschlüssen eher an Verschwörungstheorien glauben und ihre wirtschaftliche Lage als eher schlecht beurteilen. Dies bedeutet nicht, dass diese Menschen weniger intelligent wären. Es bedeutet allerdings, dass Unsicherheitsgefühle durchaus stärker vorkommen und Ungerechtigkeiten verschiedenen wahrgenommen werden.
Menschen, die von einer Verschwörungstheorie überzeugt sind, neigen dazu, auch an weitere zu glauben. Das liegt möglicherweise daran, dass Verschwörungsgläubigkeit Menschen dazu bringt, den “Eliten“, “offiziellen” Informationen oder „den Medien“ grundsätzlich zu misstrauen. In der Psychologie wird diese Grundeinstellung als "Verschwörungsmentalität" bezeichnet.
In Krisenzeiten, egal ob global, regional oder in individuellen Krisen, steigt die Unsicherheit erheblich. Verlust des Arbeitsplatzes, eine zu Ende gegangene Partnerschaft oder Zukunftsängste - all diese Dinge können zu einer verstärkten Affinität gegenüber Verschwörungstheorien beitragen. Dabei erfüllen diese wichtige soziale und psychologische Funktionen, die das Gefühl der Sicherheit erhöhen und Orientierungslosigkeit reduzieren sollen.
- Kolb, Matthias: "Vor allem Männer über 40 posten viel über Verschwörungstheorien". 2018. Online verfügbar bei der Süddeutschen Zeitung.
- Butter, Michael: Nichts ist, wie es scheint. Über Verschwörungstheorien. Berlin, 2018.
- Comparative Analysis of Conspiracy Theories: Leitfaden Verschwörungstheorien. European Cooperation in Science and Technology, 2020. Online verfügbar als PDF.
- Dietrich, Kirsten: Sinnsuche zwischen Gut und Böse. Dradio Kultur, 2020. Online verfügbar bei Dradio.
- Hepfer, Karl: Verschwörungstheorien. Eine philosophische Kritik der Unvernunft. Bielefeld, 2015.
- Peitz, Dirk: "Alles ist so, wie Du denkst". Interview mit Michael Butter zu Verschwörungstheorien und dem Attentat in Hanau. Hamburg, 2020. Online verfügbar bei der ZEIT.